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Ampelkoalition vor Sparherausforderung: Optionen zur Reduzierung der 172 Milliarden Euro Ausgaben

CDU und FDP fordern Kürzungen bei Sozialprogrammen; das Handelsblatt analysiert Sparpotenziale bei Kindersicherung, Bürgergeld und Rente.

Eulerpool News 30. Nov. 2023, 08:00

CDU und FDP-Politiker fordern Kürzungen im Sozialbereich, während das Handelsblatt mögliche Sparpotenziale bei Sozialprogrammen wie der Kindersicherung, dem Bürgergeld und der Rente untersucht. Es ist jedoch fraglich, ob die Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenaufnahme nichts im Alltag der Bürger ändern werde, eingehalten werden können.

Die Ampel-Koalition steht vor einer neuen großen Debatte, in der auch über die Rolle des Sozialstaates bei der Haushaltskonsolidierung diskutiert werden muss. FDP-Fraktionschef Christian Dürr plädiert beispielsweise dafür, auch im Sozialbereich zu sparen. Entsprechend hat CDU-Chef Friedrich Merz vorgeschlagen, auf die geplante Kindergrundsicherung und die Erhöhung des Bürgergelds zu verzichten. Insgesamt nehmen die Sozialausgaben nach dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 rund 38 Prozent der Gesamtausgaben ein, die vom Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verantwortet werden. Doch wo gibt es Einsparpotenzial im Etat und wie sind die Vorschläge der Union zu bewerten?

Das von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) initiierte Prestigeprojekt der Kindergrundsicherung stößt nicht nur beim CDU-Chef auf Kritik, sondern auch beim Landkreistag, dem Normenkontrollrat und den Ländern. Kritisiert wird vor allem der hohe Verwaltungsaufwand und die geringen Mehrwerte für Familien. Für das erste Jahr sind allein für die Verwaltungskosten 400 Millionen Euro eingeplant, bis 2028 sollen die jährlichen Kosten auf knapp sechs Milliarden Euro steigen. Der Chefhaushälter der Union, Christian Haase (CDU), schlägt daher vor, den Kinderzuschlag weiterzuentwickeln, anstatt an der Kindergrundsicherung festzuhalten, die erst 2025 eingeführt werden soll.

Dies würde den Aufbau eines neuen Behördenapparates mit tausenden Mitarbeitern vermeiden. Doch die Koalitionspartner unterstützen das Projekt und betonen die Verbesserung der Lage bedürftiger Familien als wichtiges sozialpolitisches Ziel. FDP-Berichterstatter Martin Gassner-Herz betont, dass gerade in Zeiten schwieriger finanzieller Situationen die Politik wichtige soziale Projekte nicht vernachlässigen dürfe. Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, warnt davor, bei kleinen Einkommen zu sparen und die Gesellschaft weiter zu spalten. Die Verteilungsfrage in der Gesellschaft müsse zugunsten der Familien beantwortet werden. Auch die Sozialrechts-Professorin Constanze Janda sieht Probleme bei der Kindergrundsicherung, betont jedoch das erklärte Ziel der Koalition, die Leistungen für Familien zu verbessern.

Fazit: Langfristig gibt es Einsparpotenzial bei der Kindergrundsicherung, allerdings wäre ein Verzicht auf das Projekt aufgrund der harten Debatte innerhalb der Koalition das Ende der Ampel. Mit der Einführung des Bürgergelds zu Beginn des Jahres wurden die Regelsätze um knapp zwölf Prozent erhöht. Zum Jahreswechsel steht erneut eine Erhöhung um mehr als zwölf Prozent bevor. Dies wird von CDU-Haushälter Christian Haase kritisiert, da viele Arbeitnehmer nicht von solch einer Lohnerhöhung profitieren.

Laut seinen Berechnungen wird der Staat in den kommenden Jahren, einschließlich der Kosten der Unterkunft, 50 Milliarden Euro jährlich für das Bürgergeld ausgeben. Haase betont, dass es weniger um eine "Hängematte" gehe, sondern eher um "Fordern und Fördern". Sozialrechtlerin Constanze Janda sieht hier jedoch Grenzen, da das Bundesverfassungsgericht Kürzungen beim Bürgergeld begrenzt hat. Die Sätze müssen den Grundbedarf der Menschen, einschließlich Miet- und Heizkosten, decken.

Da die Ampel-Koalition dies angesichts der hohen Inflation nicht mehr als gesichert ansah, wurde das Anpassungsverfahren der Regelsätze geändert. Statt rückwirkender Anpassung wird nun eine vorausschauende Anpassung an die Inflationsrate vorgenommen. Arbeitsminister Hubertus Heil erinnert daran, dass auch die Union diesem geänderten Verfahren zugestimmt hat.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist offenbar nicht bereit, an den Regelsätzen des Bürgergelds zu rütteln. Die Ampel-Koalition hat sich trotz des Sparzwangs darauf verständigt, zum Jahreswechsel den steuerlichen Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag stärker anzuheben als geplant. Lindner begründet dies damit, dass auch Bezieher sozialer Leistungen von Lohnerhöhungen profitieren sollten.

Fazit: Verfassungsrechtlich sind Kürzungen beim Bürgergeld schwierig, daher sollte eher der Fokus darauf liegen, Anreize zur Arbeit zu schaffen und die schlecht aufeinander abgestimmten Grundsicherungssysteme grundlegend zu reformieren. Dadurch soll erreicht werden, dass Arbeit am Ende nicht mit weniger Einkommen bestraft wird.

Die Rentenkasse steht vor neuen Herausforderungen, nachdem das Verfassungsgerichtsurteil die Pläne der Ampelkoalition für weniger Rentenausgaben bestätigt hat. Für die Jahre 2024 bis 2027 plant die Regierung eine Kürzung des Bundeszuschusses um jeweils 600 Millionen Euro. Auch vier geplante Sonderzahlungen von jeweils 500 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2025 wurden bereits letztes Jahr gestrichen.

Dies führt zu einem Defizit von 1,1 Milliarden Euro für die Rentenversicherung, wie Vorstandsvorsitzender Alexander Gunkel betonte. Dies entspricht etwa 80 Prozent der Ausgaben für den Grundrentenzuschlag, der eigentlich von den Steuerzahlern finanziert werden sollte.

Um weitere Einsparungen zu erzielen, verzichtet die Koalition außerdem auf eine geplante Investition von zehn Milliarden Euro in die kapitalgedeckte Säule der Rentenversicherung, das sogenannte Generationenkapital, im kommenden Jahr. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger schlägt zusätzlich vor, Rentenmaßnahmen aus vergangenen Jahren wie die Rente ab 63, die Mütterrente und die Grundrente zurückzunehmen. Eine genaue quantifizierung der Auswirkungen dieses Vorschlags auf den allgemeinen Bundeszuschuss ist jedoch nicht möglich, so die Rentenversicherung.

Dieser wird jedes Jahr anhand der Lohn- und Beitragsentwicklung festgelegt und nicht anhand konkreter Mehrausgaben für die von Steiger kritisierten "Rentengeschenke". Insgesamt wird der Bund voraussichtlich 113 Milliarden Euro in die Rentenkasse überweisen, was etwa 30 Prozent der erwarteten Ausgaben entspricht. Es ist unwahrscheinlich, dass weder die SPD noch die Union ein Interesse daran haben, die gemeinsam beschlossenen Rentenmaßnahmen rückgängig zu machen, da sie damit ihre jeweilige Wählerbasis bedienen.

Das größte Sparpotenzial für den Bund liegt langfristig bei einem Verzicht auf die von der Ampelkoalition versprochene Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent. Denn wenn die höheren Ausgaben nicht von den Beitragszahlern getragen werden, bleibt nur eine Möglichkeit: Die Steuerzahler. Ein schwieriges Unterfangen in einer Zeit, in der immer mehr Druck auf den Bundeshaushalt ausgeübt wird.

Fazit: Die Zukunft der Rentenkasse bleibt weiterhin ungewiss, während die Politik versucht, einen Balanceakt zwischen Kostenkontrolle und Erfüllung von Wahlversprechen zu bewältigen. Doch die Lösung des Problems liegt nicht in der Reduzierung von bereits getätigten Maßnahmen, sondern in einer verantwortungsvollen langfristigen Strategie.

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