Rotterdam startet Europas ehrgeizigstes Kohlenstofffangprojekt

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Innovative Ingenieurskunst erweckt an den Ufern des Rotterdamer Hafens Europas ambitioniertestes Projekt zur Abscheidung und Lagerung von Kohlenstoffdioxid (CO₂) zum Leben. Der symbolträchtige Spatenstich für das Porthos-Projekt erfolgte mit Verzögerungen Mitte April, als mit der Verlegung einer 50 Kilometer langen Pipeline begonnen wurde. Diese wird CO₂-Emissionen aus den umliegenden Raffinerien und Wasserstoffanlagen Europas größtem Hafen abnehmen und sie in aufgegebene Gasfelder in der Nordsee leiten. Shell, Hauptkunde des Porthos-Projekts mit Investitionen von 1,3 Milliarden Euro, wird mehr als eine Million Tonnen CO₂ jährlich aus der Raffinerie in Pernis erfassen, was etwa einem Viertel der dortigen Emissionen entspricht. Die Anlage gilt als größte Europas. Porthos soll demonstrieren, dass die CCS-Technologie, welche die Emissionen wesentlich reduzieren soll, praktikabel ist. Die Technologie gibt es zwar schon seit Jahrzehnten, doch ihre Finanzierung stellt sich als schwierig heraus. Das Projekt wird unterstützt durch die Niederländische Regierung. Diese versichert, die Kosten zu übernehmen, falls der EU-Kohlenstoffpreis unter die Prognose fällt. Porthos sei ein Pionierprojekt und ein Testfall für zukünftige Vorhaben. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat solche Vorhaben für Industriesektoren wie Stahl-, Zement- und Düngemittelproduktion, die nur schwer zu entkarbonisieren sind, als wichtig definiert und drängt auf deren zügige Umsetzung. In den nächsten 16 Jahren könnte Porthos verhindern, dass 37 Millionen Tonnen CO₂ in die Atmosphäre gelangen – vergleichbar mit den jährlichen Emissionen von neun Millionen Autos mit Benzinantrieb. Trotz dieser Potenziale gibt es Warnungen seitens Analysten wie Andrew Reid vom Institute for Energy Economics and Financial Analysis, der auf Risiken hinsichtlich der Speicherung des CO₂ hinweist, welche nicht schnell gelöst werden könnten. Die Entwicklung des Porthos-Projekts liegt in den Händen von Port of Rotterdam, Gasunie und EBN, alle staatlich beteiligt. Die Anfänge dieses Projekts kommen zu einem entscheidenden Zeitpunkt, da auch andere CCS-Projekte, viele davon in der Nordsee, kurz vor der finalen Investitionsentscheidung stehen. Bei Erfolg wird bereits der Bau einer zweiten Pipeline, Aramis, angestrebt, die im Verbund mit Shell und Total noch größere CO₂-Mengen lagern könnte. Auch im Vereinigten Königreich wurden bereits Lizenzen für die Nutzung erschöpfter Felder erteilt. Amin Nasser, Präsident und CEO von Saudi Aramco, betonte auf dem World Energy Congress in den Niederlanden die Notwendigkeit, CCS-Technologien weiterzuentwickeln, um die Ziele der Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Allerdings machte er auch deutlich, dass Öl und Gas über das Jahr 2050 hinaus erforderlich sein werden. Die IEA stellt jedoch klar, dass selbst im besten Szenario bis 2030 nur eine Kapazität von 420 Millionen Tonnen CO₂-Speicherung möglich sei – etwa 1 Prozent der energiebezogenen CO₂-Emissionen des Vorjahres. Fatih Birol, der Leiter der IEA, bezeichnet die Vorstellung, dass CCS die aktuelle Ölproduktion aufrechterhalten könne, als reine Fantasie. Die Kosten für das Porthos-Projekt sind seit der ersten Schätzung im Jahr 2017 von 500 Millionen Euro stark angestiegen. Der Grund für die Kostenspirale sei laut Dorus Bakker, Finanzvorstand des Projekts, nicht zuletzt die Verzögerung durch Gerichtsklagen von Klimaaktivisten sowie die durch den Ukrainekrieg erhöhten Material- und Baukosten. Trotzdem erwartet Bakker für die tragenden Unternehmen eine jährliche Rendite von 2,2 Prozent. Dieses Projekt wird den Niederlanden erheblich dabei helfen, ihre Klimaziele zu erreichen – eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 49 Prozent bis 2030 und um 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990.