Kamala Harris: Hoffnungsträgerin für muslimische und arabische Amerikaner?

Im engsten Kreis ihrer Familie auf WhatsApp ist für Muna Jondy jedes Thema zulässig. In dem Chat mit 40 Mitgliedern – darunter ihre Geschwister, Nichten und Neffen – wird alles besprochen: von Musiker-Rivalitäten wie Drake vs. Kendrick Lamar über die Vorherrschaft im College-Football zwischen Ohio State und Michigan bis hin zur Politik. In diesem Jahr dominierte die Diskussion um die Wiederwahlkampagne von Präsident Joe Biden, besonders aufgrund seiner Unterstützung Israels im Gaza-Krieg. Diese Positionierung entfremdete viele muslimische und arabische Amerikaner, darunter auch die Jondys. Doch als Biden aus dem Rennen ausschied und Kamala Harris zur mutmaßlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten aufstieg, änderte sich die Stimmung. Insbesondere als Harris erklärte, dass sie nicht von den Bildern toter Kinder in Gaza wegsehen oder über die Tragödien schweigen werde, wurde die Familie aufmerksam. Jondys Nichte schrieb in die Gruppe: "Bin ich verrückt, oder ist das mehr, als Biden je gesagt hat?" Andere blieben skeptisch und verlangten konkrete politische Veränderungen. Dieser WhatsApp-Chat ist repräsentativ für viele arabische Amerikaner, die Biden in den letzten Monaten wegen des Gaza-Kriegs den Rücken kehrten. Besonders in strategisch wichtigen Bundesstaaten wie Michigan, wo Jondys Familie lebt, fühlten sich viele Wähler von Biden betrogen. Kamala Harris hat nun die Chance, das Gespräch zu verändern. Obwohl sie der Linie Bidens in der Israel-Politik bisher treu blieb, setzt sie stärkere Akzente hinsichtlich des Leids der Palästinenser. Abdullah Hammoud, der erste arabisch-amerikanische Bürgermeister von Dearborn, Michigan, betrachtet dies als eine Gelegenheit für einen sinnvollen Dialog. Osama A. Siblani, Herausgeber der Arab American News, machte deutlich, dass die Stimmen der arabischen Amerikaner in Michigan derzeit offen seien. "Wenn sie an unseren Stimmen interessiert ist, sind wir an ihrer Meinung interessiert", sagte er. Siblani unterstrich jedoch, dass die Unterstützung für Harris nicht automatisch käme. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für Harris könnten ihre Wahl des Vizepräsidenten sein. Zu den Topkandidaten zählt auch Gouverneur Josh Shapiro aus Pennsylvania, ein entschlossener Unterstützer Israels. Der Ausgang der Wahl könnte auch durch die rund 200.000 registrierten muslimischen Wähler in Michigan beeinflusst werden, wie die Organisation Emgage schätzt. Diese Wählergruppen könnten in anderen entscheidenden Bundesstaaten wie Virginia, Minnesota und Pennsylvania ebenfalls eine Rolle spielen. Der Abschied von Biden, dessen Unterstützung für Israel ebenfalls Protestgruppen mobilisierte, könnte Harris einige bislang unentschlossene Wähler zurückgewinnen lassen. Dr. Thaer Ahmad, ein palästinensisch-amerikanischer Notarzt, sieht die aktuelle Veränderung jedoch skeptisch. "Parolen und Phrasen werden es nicht richten", meint er. Ein optimistischerer Ton kam von Nada Al-Hanooti, einer Organisatorin von Emgage. Sie zeigte sich erfreut, dass Harris nicht die traditionelle Rolle der Vizepräsidentin übernahm, als Israels Premierminister Benjamin Netanyahu vor dem Kongress sprach, sondern ein privates Treffen bevorzugte. Die Bemühungen von Harris, eine feinere Balance zwischen starker Unterstützung für Israel und Anerkennung des Leids der Zivilisten in Gaza zu finden, werden von Wählern wie Al-Hanooti genau beobachtet. Auch James Zogby vom Arab American Institute betonte, dass Harris die Möglichkeit habe, Wähler, die bei Biden abgesprungen sind, zurückzugewinnen, wenn sie klar eine andere Richtung einschlägt. Für Muna Jondy, eine langjährige Unterstützerin der Demokraten, bleibt die endgültige Entscheidung jedoch abzuwarten. Bislang hat Harris zumindest ihre Stimme gewonnen.