Wirecard-Prozess: Massive Ungereimtheiten bei Geschäftszahlen enthüllt

  • Gericht deckt gravierende zeitliche Diskrepanzen in Wirecards Geschäftszahlen vor der Insolvenz auf.
  • Die Staatsanwaltschaft vermutet fingierte Umsätze; der Angeklagte steht weiter unter Druck.

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Im laufenden Prozess um den einstigen Zahlungsdienstleister Wirecard ist der frühere Chefbuchhalter E. in erhebliche Erklärungsnot geraten. Der Vorsitzende Richter Markus Födisch konfrontierte den 49-jährigen Angeklagten am Montag mit gravierenden Diskrepanzen in den Geschäftszahlen des Unternehmens. In den Jahren vor der milliardenschweren Insolvenz im Jahr 2020 veröffentlichte Wirecard vorläufige Ergebnisse häufig, bevor die Geschäftszahlen der drei wichtigsten Partnerfirmen vollständig vorlagen. Födisch betonte, dies sei ein zentraler Punkt der Untersuchung. Eine Präsentation der Staatsanwaltschaft untermauerte diese Unstimmigkeiten. Beispielsweise wurde der vorläufige Geschäftsbericht für das dritte Quartal 2016 bereits im Oktober jenes Jahres veröffentlicht, während die Geschäftsberichte der Partnerfirmen Senjo, Al Alam und Payeasy erst im November eingingen. Diese zeitliche Diskrepanz sei laut den Ermittlern kein Einzelfall, sondern eher die Regel gewesen. Die drei Partnerfirmen wickelten im Auftrag von Wirecard Kreditkartenzahlungen in Regionen wie dem Mittleren Osten und Südostasien ab. Laut Anklage existierte dieses Geschäft jedoch gar nicht – die Staatsanwaltschaft vermutet, dass Umsätze und Gewinne erfunden waren. "Ohne die TPA-Zahlen war es nicht möglich, die vorläufigen Berichte zu erstellen", stellte Födisch fest – eine Tatsache, die im Widerspruch zu den Ausführungen des Angeklagten steht. E. hatte vergangene Woche nach über eineinhalbjährigem Schweigen im Prozess erstmals umfassend zur Anklage Stellung genommen, wobei er jedoch kein vollständiges Geständnis ablegte. Sein Verteidiger argumentierte, dass die Partnerfirmen durchaus Zahlen geliefert hätten, diese seien jedoch teilweise über unkonventionelle Wege wie Mobiltelefon-Screenshots über den Chatdienst Telegram eingegangen und heute nicht mehr überprüfbar. Für die endgültigen Zahlen hätten jedoch stets alle Abrechnungen vorgelegen, betonte der Anwalt. Der Mitangeklagte und Kronzeuge Oliver Bellenhaus hat die Anklagevorwürfe weitgehend eingeräumt, während der frühere Vorstandschef Markus Braun diese mehrfach komplett zurückwies. E. beschuldigte Bellenhaus ihrerseits der Falschaussage. Der seit Dezember 2022 laufende Münchner Prozess pausiert nun für nahezu vier Wochen.
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