Ein steinzeitlicher Schock für die digitale Zukunft des NHS

In einem der größten Krankenhäuser Londons erfahren Ärzte tagtäglich die Tücken des digitalen Zeitalters – oder besser gesagt, seines Fehlens. Der Computer der Kinderstation, unverzichtbar für die Verwaltung von Patientendaten, ist nicht mit einem Drucker verbunden. Dieser Umstand zwingt die Mediziner, sich in eine kleine Odyssee zu begeben: Die Daten müssen zunächst über NHS-E-Mails geschickt und anschließend an einem anderen Gerät ausgedruckt werden. Ein Vorgehen, das einen Kinderarzt resigniert feststellen lässt: "Manchmal fühle ich mich, als wären wir in der Steinzeit." Die digitale Transformation des National Health Service (NHS) – das Ziel von Gesundheitsminister Wes Streeting und Premierminister Sir Keir Starmer – sieht sich mit umfassenden Herausforderungen konfrontiert. Die bisher mangelnde technologische Ausstattung unterschiedlicher Regionen zeigt die Vorreiterrolle des Gesundheitswesens in der Digitalisierung noch nicht. Berichten zufolge sind erst 20 Prozent der NHS-Organisationen "digital ausgereift". Zwar existieren bereits 90 Prozent elektronische Krankenakten, aber eine durchgängige Vernetzung fehlt oft. Eine erschreckende Konsequenz dieser Fragmentierung: Ärzte verlieren jährlich 13,5 Millionen Arbeitsstunden durch unzureichende IT-Infrastruktur. Eine Situation, die auch in schwerwiegende Patientensicherheitsrisiken umschlagen kann, wie die Chefin des Patientenaufsichtsgremiums warnt: Probleme bei der Systeminteroperabilität führten zu Fehlidentifizierungen und verzögerten Diagnosen. Die Investitionslücken sind auffällig: Großbritannien hat laut Studien weniger als andere führende Länder Europas in Gesundheitstechnologien investiert, was das System zum britischen Arbeitgeber mit den größten IT-Rückständen gemacht hat. Professor Harold Thimbleby vergleicht die digitale Revolution im NHS mit der Komplexität von Raumfahrtprojekten – nur mit den richtigen "Raketen" und "Ingenieuren" kann das ambitionierte Ziel erreicht werden.