Warum die EZB trotz sinkender Inflation weiterhin Vorsicht walten lässt

3.3.2024, 09:00

Die Inflation im Euroraum sinkt weiter Richtung EZB-Ziel von 2%, doch Tariflohnsteigerungen sorgen für Unruhe.

Eulerpool News 3. März 2024, 09:00

Die Teuerungsrate im Euroraum hat im Juli 2021 den niedrigsten Stand seit mehreren Monaten erreicht und liegt derzeit bei 2,6 Prozent. Dies geht aus der aktuellen Schnellschätzung der Statistikbehörde Eurostat für den Monat Februar hervor und bringt die Europäische Zentralbank (EZB) ihrem Ziel einer Inflation von zwei Prozent näher. Dennoch bleibt die EZB vorsichtig und hält vorerst an der Beibehaltung der Zinsen fest. Ein wichtiger Faktor dafür ist das Wachstum der Tariflöhne, dem die Notenbank derzeit besondere Beachtung schenkt.

Laut einer aktuellen Einschätzung der EZB sind die Tariflöhne im Euroraum im vierten Quartal 2023 um 4,5 Prozent gestiegen. Obwohl dieser Anstieg geringer ausfällt als zuvor, bleibt er dennoch zu hoch, um langfristig eine Preisstabilität zu garantieren. Der Zeitpunkt für eine Zinssenkung hängt daher vor allem von der weiteren Entwicklung der Tariflöhne im laufenden ersten Quartal ab. Sollten die Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu moderaten Ergebnissen führen, wird der Weg für eine Zinssenkung frei sein. Andernfalls könnte es sein, dass die EZB-Mitglieder noch monatelang auf eine Zinswende warten werden. Denn hohe Lohnzuwächse können sich dauerhaft negativ auf die Inflation auswirken, insbesondere wenn die Produktivität weiterhin schwach bleibt und Unternehmen die höheren Lohnkosten an ihre Kunden weitergeben.

Um frühzeitig ein Bild von der Lohndynamik zu erhalten, hat die EZB ein internes Frühwarnsystem entwickelt, das auch bekannt ist als "Wage Tracker". Dabei werden unmittelbar Tarifabschlüsse in sieben der 20 Euro-Länder analysiert, um nicht auf offizielle Statistiken warten zu müssen, die erst mit Verzögerung veröffentlicht werden. Diese Vorab-Informationen deuten darauf hin, dass der Lohndruck im ersten Halbjahr 2024 vorübergehend nachlassen wird, danach jedoch mutmaßlich wieder stärker Richtung fünf Prozent ansteigen wird.

Die EZB beobachtet die Entwicklung der Tariflöhne mit großer Nervosität, da Gewerkschaften momentan nicht zu Kompromissen und Zurückhaltung bereit sind. Die hohe Inflation des vergangenen Jahres hat bei den Beschäftigten Spuren hinterlassen. Laut Statistischem Bundesamt sind die Tariflöhne in Deutschland im Jahr 2023 um 3,7 Prozent gestiegen, was deutlich unter der durchschnittlichen Inflationsrate von 5,9 Prozent liegt. Dies führte zu einem merklichen Rückgang der Kaufkraft der Beschäftigten. Das Institut WSI, das den Gewerkschaften nahesteht, berichtet zudem von einem Absinken der Kaufkraft der Tariflöhne auf das Niveau von 2016. Die laufenden Tarifverhandlungen dürften daher von deutlichen Reallohnzuwächsen geprägt sein, so WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten.

Gewerkschaften und Arbeitnehmer gehen gestärkt in die Tarifrunde 2024, da die Arbeitsmärkte in der Euro-Zone weiterhin gut ausgelastet sind und es einen Fachkräftemangel gibt. Doch trotz des aktuellen Rückgangs der Inflation, der hauptsächlich auf gesunkene Preise für Lebensmittel zurückzuführen ist, bleibt die Kerninflationsrate ohne Berücksichtigung von Nahrungsmitteln und Energie mit 3,1 Prozent hoch. Aufgrund starker Lohnerhöhungen wird sie voraussichtlich noch bis weit ins kommende Jahr hinein über zwei Prozent liegen, wie Sebastian Becker von der Deutschen Bank einschätzt. Es wird daher eine Weile dauern, bis auch die Kerninflation das Zwei-Prozent-Ziel der EZB annähert.

Obwohl Ökonomen die Fortschritte im Kampf gegen die zeitweise hohe Inflation der vergangenen beiden Jahre als ermutigend betrachten, warnen einige vor zu viel Optimismus angesichts der aktuellen Lage. Die EZB bleibt daher vorsichtig und behält die Entwicklung der Tariflöhne genau im Blick.

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