Der Flugzeughersteller Boeing hat bekannt gegeben, dass er in den kommenden Monaten voraussichtlich Milliardenverluste verzeichnen wird und für das gesamte Jahr keinen positiven Cashflow erwartet. Dies signalisiert, dass das Unternehmen Schwierigkeiten hat, die finanziellen Auswirkungen von Produktions- und Lieferkettenproblemen in den Griff zu bekommen.
Nach einer fast 4 Milliarden Dollar schweren Belastung im ersten Quartal warnte Finanzchef Brian West die Investoren am Donnerstag, dass das Unternehmen auch im laufenden Quartal mit einem ähnlich großen oder noch größeren Cash-Loch rechnen muss.
Die Aktien von Boeing fielen am Donnerstag um mehr als 7 %. Seit Jahresbeginn hat die Aktie rund ein Drittel ihres Wertes verloren und damit mehr als 50 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung eingebüßt.
West teilte den Investoren mit, dass Boeing wahrscheinlich im gesamten Jahr keinen positiven Cashflow generieren wird, da das Unternehmen mit einer Verlangsamung der Flugzeugproduktion zu kämpfen hat. Dies stellt eine deutlich pessimistischere Prognose dar als noch vor einem Monat, als Boeing erwartete, den Cash-Burn in diesem Quartal zu verringern und das Jahr 2024 mit einem positiven Cashflow abzuschließen.
„Wir haben unsere Kunden aufgrund einiger Produktions- und Lieferkettenprobleme frustriert und enttäuscht“, sagte West auf einer Industrie- und Transportkonferenz in New York. Er fügte hinzu, dass Boeing in der zweiten Jahreshälfte wieder mit der Generierung von Cash beginnen sollte.
Boeing kämpft mit einer langsameren Produktion seiner Bestseller 737 MAX, da das Unternehmen Qualitätsprobleme nach dem Beinahe-Katastrophe eines Alaska Airlines-Fluges im Januar beheben muss. Diese Probleme haben eine verstärkte behördliche Kontrolle und eine Management-Umstrukturierung ausgelöst.
West sagte am Donnerstag, dass die Auslieferungen der 737 weiterhin weit unter dem Unternehmensziel von 38 Flugzeugen pro Monat bis Juni bleiben werden. Boeing lieferte im ersten Quartal 67 dieser Flugzeuge aus und liegt auf Kurs für eine ähnliche Anzahl im zweiten Quartal. Die Produktion soll später im Jahr wieder anziehen.
„Wir dürfen die Fabrik oder das System nicht zu stark belasten, denn der Ertrag, wenn wir es richtig machen, wird über 2025 hinaus groß sein“, sagte West.
Zusätzlich zu den Produktionsproblemen gibt es eine Reihe von unabhängigen Problemen, die sowohl die Produktion verlangsamen als auch Boeing daran hindern, bereits gebaute Flugzeuge auszuliefern. Dazu gehören Teileknappheit und die jüngste Enthüllung, dass Mitarbeiter Inspektionen bei 787 Dreamlinern übersprungen und Inspektionsprotokolle gefälscht haben könnten. Analysten zufolge hat Boeing in diesem Monat noch keine neuen 787 produziert, und Dutzende dieser Flugzeuge warten außerhalb des Werks in North Charleston, South Carolina, auf die Auslieferung.
Die monatlichen Flugzeugauslieferungen des Unternehmens erreichten im April ihren niedrigsten Stand seit Beginn der Pandemie, als der Rückgang des Flugverkehrs die Flugzeugproduktion nahezu zum Erliegen brachte.
Das neueste Problem: China hat diese Woche vorübergehend die Annahme von MAX 8-Jets gestoppt, um die Batterien der 25-Stunden-Cockpit-Stimmenrekorder an Bord der Flugzeuge zu überprüfen. US-amerikanische und chinesische Regulierungsbehörden führen Gespräche zu diesem Thema, und Boeing erklärte am Mittwoch, dass es den Behörden die Entscheidung überlassen werde.
Das Unternehmen sagte, dass die Federal Aviation Administration und europäische Regulierungsbehörden das System genehmigt haben, das den Anforderungen einiger Nicht-US-Luftsicherheitsbehörden entspricht, dass Stimmenrekorder 25 Stunden Audio anstelle von zwei aufzeichnen.
Boeing hatte Ende 2023 85 für China bestimmte MAX-Jets auf Lager und hat in diesem Jahr bisher 22 ausgeliefert. Die Auslieferungen wurden nach einem jahrelangen Einfrier durch Peking nach zwei tödlichen Abstürzen des 737 MAX 8-Modells wieder aufgenommen.
Letzten Monat beschaffte Boeing 10 Milliarden Dollar am Schuldenmarkt, da Investoren besorgt über die Liquidität des Unternehmens sind. Ende März verfügte das Unternehmen über 7,5 Milliarden Dollar an Bargeld und Investitionen, weniger als die Hälfte dessen, was es zu Beginn des Jahres hatte.
Im April stufte Moody’s Investors Service seine Bewertung der ungesicherten Schulden von Boeing um eine Stufe auf Baa3 herab, die niedrigste Investment-Grade-Stufe. Moody’s erwartet, dass der Cashflow-Druck bis 2026 anhalten wird.
Boeing hat bekannt gegeben, dass es Gespräche über die Übernahme von Spirit AeroSystems führt, das Rümpfe für die 737 herstellt, um die Qualität zu verbessern. West sagte, dass das Unternehmen optimistisch sei, bis Ende Juni eine Einigung mit Spirit zu erzielen. Die Gespräche haben sich aufgrund von Verhandlungen mit dem Rivalen Airbus über die Kontrolle von Spirit-Fabriken, die Teile für Airbus-Flugzeuge produzieren, in die Länge gezogen.
