Sozialversicherung ins Grundgesetz? Ein Aufruf zur Reform

Peter Weiß, der erfahrene Bundesbeauftragte für die Sozialwahlen, plädiert für eine Verfassungsänderung in Deutschland: Die Sozialversicherung, inklusive Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung, soll durch eine klar verankerte Regelung im Grundgesetz zementiert und unter deutlicher Mitbestimmung der Bürger organisiert werden. Weiß fordert zudem eine Demokratisierung der Strukturen, indem er die Mitsprache der Versicherten bei Leistungen und Finanzen stärken möchte. Eine bemerkenswerte Erkenntnis aus dem Abschlussbericht der Sozialwahlen 2023 zeigt, dass die aktuellen Strukturen der sozialen Selbstverwaltung oft nicht wahrgenommen oder gewürdigt werden. Auch die Wahlbeteiligung spiegelt dies wider: Nur ein Fünftel der 52 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Dabei wurde erstmals eine Online-Stimmabgabe eingeführt, die 22 Millionen Versicherte nutzen konnten. Im Vergleich verblasst die Beteiligung deutlich gegenüber der Bundestagswahl 2021. Ein zentrales Argument für die Verfassungsänderung ist das schiere Volumen der Sozialausgaben: 1250 Milliarden Euro wurden 2023 für soziale Leistungen ausgegeben. Davon stammten mehr als 840 Milliarden aus den Sozialbeiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Trotz dieser enormen Beträge mangelt es den gewählten Gremien jedoch an echter Entscheidungsbefugnis. Weiß sieht in einer Verfassungsänderung die Chance, Sozialwahlen spannender zu gestalten. Er fordert klare Entscheidungen und mehr Spielraum bei den Fragen, welche Leistungen für welchen Beitrag erbracht werden sollen. Sein Ziel: weniger staatliche Kontrolle und mehr Bürgerbeteiligung, frei nach dem Vorbild der Weimarer Reichsverfassung, die ebenfalls die Mitwirkung der Versicherten betonte.