Polens Mitte-Links-Koalition in der Krise: Verpasste Abstimmung über Abtreibungsrecht sorgt für Spannungen

  • Polens Mitte-Links-Koalition gerät wegen gescheiterter Abstimmung zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Krise.
  • Ministerpräsident Tusk muss KO-Abgeordnete entlassen und will Vorgaben für Staatsanwaltschaft überarbeiten.

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Das knappe Scheitern der geplanten Liberalisierung des strengen Abtreibungsrechts hat die polnische Mitte-Links-Koalition in Aufruhr versetzt. Ministerpräsident Donald Tusk sah sich gezwungen, Waldemar Slugocki, einen Abgeordneten seiner Partei Bürgerkoalition (KO), aus dem Amt des Vizeministers für Entwicklung und Technologie zu entlassen. Grund hierfür war das Fehlen Slugockis sowie zweier weiterer KO-Abgeordneter bei der entscheidenden Abstimmung am 12. Juli im polnischen Parlament, dem Sejm. Der Entwurf des linken Bündnispartners Lewica erhielt lediglich 215 Stimmen, während 218 Abgeordnete dagegen votierten. Dabei war die Abstimmungsniederlage nicht allein auf die Abwesenheit der KO-Abgeordneten zurückzuführen. Insgesamt 24 Abgeordnete des christlich-konservativen Dritten Wegs stimmten ebenfalls nicht für den Entwurf. Vizeregierungschef Wladyslaw Kosiniak-Kamysz betonte, dass seine Polnische Volkspartei (PSL), ein Mitglied des Dritten Wegs, sich nicht als Vasall der KO verstehe. Ministerpräsident Tusk kommentierte, dass die Hoffnung, eine Mehrheit für die Liberalisierung des Abtreibungsrechts zu gewinnen, sich als Illusion erwiesen habe. Er räumte ein, nicht alle Verbündeten im Regierungsbündnis überzeugt zu haben. Tusk hatte die Entschärfung des Abtreibungsrechts als eines seiner zentralen Wahlversprechen präsentiert, mit dem er 2023 die Stimmen vieler Frauen in Polen gewinnen konnte. Die aktuelle Gesetzeslage in Polen erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur in sehr begrenzten Fällen, wie nach Vergewaltigungen, Inzest oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund schwerer Fehlbildungen des ungeborenen Kindes ist ausgeschlossen. Zwar wird die Abtreibung selbst nicht strafrechtlich verfolgt, Personen, die einer Schwangeren bei der Beschaffung von Abtreibungsmitteln helfen, drohen jedoch bis zu drei Jahre Haft. Die geplante Gesetzesänderung sollte diese Beihilfe straffrei stellen. Roman Giertych, ein weiterer Abgeordneter, der bei der Abstimmung ebenfalls fehlte, wurde gemeinsam mit Slugocki aus der Fraktion der KO ausgeschlossen. Allerdings nahm Tusk Giertych in Schutz und erklärte, dass dieser als bekannter Abtreibungsgegner niemals für das Gesetz gestimmt hätte. Bis ein neuer Vorstoß unternommen wird, wies Tusk die Ministerien für Justiz und Gesundheit an, die Vorgaben für die Staatsanwaltschaft zu überarbeiten, um das Leben schwangerer Frauen zu erleichtern. Besonders der Umgang mit natürlichen Fehlgeburten soll humaner gestaltet werden, da Frauen bisher oft unter den Verdacht gerieten, ihr Kind absichtlich abgetrieben zu haben.
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