Digitale Stechuhr kehrt zurück: Arbeitszeiterfassung wird Pflicht in Deutschland

  • Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Arbeitszeiterfassung in Deutschland Pflicht wird.
  • Die genaue gesetzliche Ausgestaltung steht noch aus und sorgt für Diskussionen innerhalb der Bundesregierung.

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In den letzten Jahren genossen Beschäftigte im mobilen Arbeiten oder Homeoffice eine gewisse Freiheit von Bürokram und formeller Arbeitszeiterfassung. Doch das Bundesarbeitsgericht entschied bereits 2022, dass Deutschlands Unternehmen, Büros und Verwaltungen verpflichtet sind, die Arbeitszeiten systematisch zu erfassen. Diese Entscheidung, die auf dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019 und dem deutschen Arbeitsschutzgesetz basiert, bleibt jedoch bislang ohne gesetzgeberische Umsetzung. Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Inken Gallner, betonte, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung einen wichtigen Schutz vor Fremd- und Selbstausbeutung darstelle. Dies bedeutet, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sicherstellen müssen, dass die Arbeitszeiten eingehalten werden, um ausufernde Überstunden zu verhindern. Trotz dieser Klarheit liegt die gesetzliche Ausgestaltung weiterhin in den Händen der Bundesregierung, die noch keine endgültigen Regelungen verabschiedet hat. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass Betriebsräte ein Initiativrecht besitzen, um entsprechende Regelungen zur Arbeitszeiterfassung zu treffen. Nach dem bisherigen Arbeitszeitgesetz mussten nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden. Nun ist der Gesetzgeber gefordert, Wege zu definieren, wie Arbeitszeiten praktisch und rechtlich sicher erfasst werden können. Innerhalb der Bundesregierung wird eifrig über das Thema diskutiert. Die SPD drängt auf eine schnelle gesetzliche Regelung, während Wirtschaftsverbände und die FDP das Urteil als unzeitgemäß betrachten. Arbeitsminister Hubertus Heil hatte bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der allerdings noch nicht endgültig verabschiedet wurde. Die Regierungsinterne Abstimmung dazu ist noch im Gange. Während flexible Arbeitsmodelle wie mobiles Arbeiten und Homeoffice weiterhin Bestand haben, sollen Vertrauensarbeitszeitmodelle durch die Zeiterfassungspflicht nicht beeinträchtigt werden. Dies betonte Gallner auch im Hinblick auf die Einhaltung gesetzlicher Regelungen wie der täglichen Ruhezeiten und wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Deutschland stand aufgrund der fehlenden Umsetzung des EuGH-Urteils sogar vor einem Vertragsverletzungsverfahren der EU, konnte diese kritische Lage aber inzwischen abwenden. Dennoch bleibt die gesetzliche Klärung der Arbeitszeiterfassung ein heißes Diskussionsthema, das weiterhin für Spannungen innerhalb der Ampelkoalition sorgt.
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