Business Casual: Krawattenindustrie im Sog der Lockerung

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Die Seide des Wandel strafft sich noch, doch der Knoten der Krawattenindustrie zeigt zunehmend Schlupf. Eine signifikante Verschiebung im Bekleidungssektor bestätigt eine Tendenz zum Legeren. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Ein Rückgang der Krawattenimporte nach Deutschland um zwei Drittel innerhalb von zehn Jahren, konkret von 14,4 Millionen Stück 2014 auf etwa 4,8 Millionen im Jahr 2023 zeichnet sich ab, eine Entwicklung, die ein Licht auf die veränderten Dresscodes in der Berufswelt wirft. Noch gravierender zeigt sich dies im Export, der um annähernd 60 Prozent von 5,2 Millionen auf 2,1 Millionen sank. Doch Trotz dieser Zahlen navigiert Ascot, ein Spezialist für edle Seidenkrawatten und das Flaggschiff der heimischen Krawattenproduktion, beharrlich durch die stürmischen Gewässer der Modebranche. Jan Moese, der CEO des Krefelder Unternehmens, sieht in der Internationalisierung und einer strategischen Diversifizierung das Rettungsboot für das Traditionsunternehmen, das zusätzlich Herrenaccessoires ins Portfolio aufgenommen hat. Die Verschiebung hin zu Casualwear und die Zunahme von Homeoffice lassen allerdings den Krawattenkonsum sinken. Dabei spiegeln sich die Auswirkungen dieser Bewegungen nicht nur in Statistiken wider, sondern auch in der Unternehmenslandschaft, wo zahlreiche deutsche Krawattenproduzenten ihre Pforten schlossen. Experten suchen Erklärungen in der Geschichte des Silicon Valleys der 1970er Jahre und stilprägenden Unternehmern. Andere wiederum weisen auf stilistische Avantgardisten wie Giorgio Armani hin, der den Anzug neu interpretierte. Derweil bleibt die Krawatte, ein farbenprächtiger Überrest aus der Barockzeit, in ihrer Funktion oft diskutiert, aber unstreitig von historischer Bedeutung. Adelheid Rasche, eine Expertin für Bekleidungsgeschichte, erläutert die Krawatte als einst wesentlichen Teil des dreiteiligen Herrenanzugs. Heute mag sie zwar in der Praxis an Bedeutung verloren haben, doch in der Welt des Sartorialismus wird jedes Detail geschätzt. Selbst in den konservativen Bastionen der Finanzwelt wird der Griff zur Krawatte lockerer. Traditionelle Empfehlungen für eine formelle Erscheinung weichen einer individuellen, situativen Entscheidung. Bei der Munich Re beispielsweise wird der Vorstandsvorsitzende Joachim Wenning mittlerweile auch ohne das einst obligatorische Accessoire gesichtet, ein deutliches Zeichen für eine sich wandelnde Business-Etikette.
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