Bayer's Sparprogramm soll 2 Milliarden Euro bis 2026 freisetzen - Aktie dennoch mit 20 Jahres-Tief

6.3.2024, 13:00

Bayer im Spagat: Trotz Schuldenberg will der Konzern seine Krisensituation ohne Spartenverkäufe bewältigen.

Im Kampf gegen hohe Schulden und schwierige Geschäftsentwicklungen wird Bayer vorerst auf eine Aufspaltung des Konzerns verzichten. Dies gab der Pharma- und Agrarchemiekonzern am Dienstag während seines Kapitalmarkttages bekannt. Die Hürden für eine mögliche Aufteilung seien derzeit zu hoch, heißt es von Seiten des Unternehmens. Stattdessen konzentriert sich Bayer auf die Umstrukturierung der internen Strukturen, um mittelfristig Kosten zu sparen. Die Leidenszeit der Investoren wird somit weiterhin verlängert, da bis 2024 mit sinkenden operativen Gewinnen zu rechnen ist. Die ohnehin schon gebeutelte Aktie sackte am Dienstag auf ein neues Tiefstand seit 2005 ab.

Die Entscheidung von Bayer, vorerst auf eine Aufspaltung zu verzichten, kam überraschend, da viele Experten mit einer solchen Maßnahme gerechnet hatten. "Viele haben eine Aufspaltung von Bayer erwartet", schreibt Analyst Peter Spengler von der DZ Bank in einer ersten Einschätzung. Mit dieser Entscheidung entfällt nun jedoch ein möglicher Kurstreiber. "Allerdings gibt es meist keine schnellen und einfachen Lösungen für bestehende Probleme." Der Fokus auf die Verbesserung der operativen Leistung scheint vielversprechend, allerdings handelt es sich dabei um einen langfristigen Prozess.

Bayer CEO Bill Anderson sieht im Unternehmen vier Hauptprobleme, die dringend angegangen werden müssen: Patentabläufe und die Entwicklungs-Pipeline in der Pharmasparte, Rechtsstreitigkeiten in den USA bezüglich des Unkrautvernichters Glyphosat und der Chemikalie PCB, hohe Schulden und eine hierarchische Bürokratie. "Diese vier Herausforderungen schränken unsere Handlungsmöglichkeiten stark ein - egal ob mit drei Divisionen oder mit weniger Geschäftsfeldern." Ein Verkauf der Consumer Health-Sparte, die rezeptfreie Medikamente umfasst, könnte zwar eine Möglichkeit sein, die Schulden zu reduzieren, so Anderson. Eine Trennung würde jedoch mit hohen Kosten und Steuereffekten verbunden sein.

Zudem generiert die Sparte stabile Einnahmen. Anstatt also einen möglichen Verkauf oder eine zeitaufwändige Aufspaltung des Konzerns zu verfolgen, möchte Anderson zunächst den Fokus auf interne Umstrukturierungen legen. Dies sei jedoch nicht gleichzeitig möglich. Sollte sich jedoch der Aktienkurs nicht deutlich und dauerhaft erholen, wird das Thema einer möglichen Aufspaltung der Consumer Health-Sparte schnell wieder auf der Agenda stehen, glaubt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment.

Ein zentraler Punkt bei der Umstrukturierung von Bayer ist das neue Organisationsmodell, welches jährliche Einsparungen von zwei Milliarden Euro ab 2026 ermöglichen soll. Von aktuell bis zu zwölf Hierarchieebenen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden und den Kunden sollen nur noch fünf bis sechs Ebenen bestehen bleiben, erklärte Arbeitsdirektorin Heike Prinz. Eine Führungskraft soll mindestens 15 Mitarbeiter verantworten. Zum Vergleich: Derzeit leiten mehr als 30 Prozent von 17.000 Führungskräften kleine Teams mit vier oder weniger Mitarbeitern.

Bereits im Januar hatte Bayer einen signifikanten Stellenabbau in Deutschland angekündigt. Wie viele derzeit insgesamt 22.200 Mitarbeiter betroffen sein werden, ist jedoch unklar.

Mit Blick auf die Rechtsstreitigkeiten in den USA gibt Bayer bekannt, neue Ansätze zu verfolgen, um rechtliche Risiken zu reduzieren. Anleger haben lange kritisiert, dass es dem Konzern bisher nicht gelungen ist, einen Schlussstrich unter die Glyphosat-Problematik zu ziehen. Finanzchef Wolfgang Nickl erklärte während der Präsentation vor Analysten und Investoren, dass dieses Thema Bayer bereits 13 Milliarden Euro gekostet habe. Ende Januar waren noch 54.000 Klagen offen, 2.000 mehr als im Oktober. Die Rückstellungen beliefen sich auf 6,3 Milliarden US-Dollar (5,7 Mrd Euro). Nickl äußerte sich dazu, dass er hoffe, dass diese Summe ausreichen werde, könne es jedoch nicht garantieren. Er betonte jedoch, dass viele Personen sich die Sache sehr methodisch anschauten, einschließlich der Wirtschaftsprüfer.

Die Probleme im Zusammenhang mit Glyphosat entstanden, als Bayer unter der Führung von Werner Baumann im Jahr 2018 Monsanto für über 60 Milliarden US-Dollar übernahm. Mittlerweile wurden neue Anwaltskanzleien beauftragt und es soll eine Rechtsexpertin, Lori Schechter, in den Aufsichtsrat einziehen. "Jedes negative Urteil werden wir anfechten", sagte Anderson. "Aber es ist klar, dass eine Verteidigungsstrategie allein nicht ausreicht." Um erfolgreich zu sein, gehört laut Anderson auch eine enge Zusammenarbeit mit politischen Akteuren dazu. Was genau er damit meint, ließ er offen. Am Montag berichtete die "Financial Times" jedoch, dass Bayer in den USA Lobbyarbeit betreibe, um Änderungen im Bundesstaatengesetz einzuleiten. Ziel sei es, den Vorrang von Bundesgesetzen vor dem Recht der Bundesstaaten bei der Kennzeichnung von Unkrautvernichtern wie Roundup zu bestätigen.

Die Frage, ob Roundup krebserregend sei, wird seit langem diskutiert. Bayer argumentiert, dass die US-Umweltbehörde als Bundesbehörde festgestellt habe, dass dies nicht der Fall sei und das Produkt daher keine Warnung benötige. Somit verhindere Bundesrecht auch in einzelnen US-Staaten Schadenersatzansprüche aufgrund angeblich unzureichender Warnungen bezüglich des Krebsrisikos. Dieses Thema belastet seit Jahren den Aktienkurs von Bayer. Vor dem ersten Urteil gegen das Unternehmen im Sommer 2018 lag der Aktienkurs bei 93 Euro, aktuell liegt er bei knapp 26 Euro.

Dadurch ist Bayer an der Börse nur noch knapp 26 Mrd Euro wert - rund die Hälfte dessen, was allein für Monsanto gezahlt wurde. Im operativen Geschäft ist derzeit keine schnelle Erholung in Sicht. Für 2024 wird ein weiterer Rückgang des operativen Gewinns erwartet. Das um Wechselkurs- und Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) soll zwischen 10,7 und 11,3 Mrd Euro liegen. Analyst Richard Vosser von der Bank JPMorgan geht davon aus, dass diese Prognose keine große Veränderung an den Markterwartungen mit sich bringen wird. 2023 hatte Bayer mit niedrigeren Glyphosat-Preisen und einem schwächeren Pharmageschäft in China zu kämpfen.

Zudem investiert der Konzern immer mehr Geld in die Entwicklung von Zell- und Gentherapien, um das Pharmageschäft langfristig anzukurbeln. Denn dieses wird in den kommenden Jahren die nach und nach auslaufenden Patente für den Verkaufsschlager Xarelto zu spüren bekommen. Dies wurde verstärkt durch das Scheitern einer wichtigen Studie mit einem potenziellen Nachfolgemedikament Ende 2023. Das operative Ergebnis ging um 13,4 Prozent auf 11,7 Mrd. Euro zurück, auch aufgrund negativer Währungseffekte in Höhe von 375 Mio Euro.

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