Der deutsche Staat erhöht den Druck auf Siemens

30.10.2023, 12:00

Dax-Konzern nach Kursabsturz in der Zwickmühle: Bund und Banken einig, doch Großaktionär zögert bei Lösungsfindung

Kurz nachdem der Dax am Donnerstag einen scharfen Absturz erlebte, sucht Siemens Energy nach einer schnellen Lösung. Bund und Banken sind sich weitgehend einig, dass der verlustreiche Konzern mit milliardenschweren Garantien gestützt werden soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte, dass es sich bei Siemens Energy um ein bedeutendes Unternehmen handle, das für die Energiewende unverzichtbar sei.

Die Verhandlungen über die Details einer Rettungsaktion liefen am Wochenende auf Hochtouren. Auf Arbeitsebene fanden zahlreiche Gespräche statt, wie das Handelsblatt aus Verhandlungskreisen erfuhr. Trotz der Einigkeit gab es jedoch noch keine Einigung, da der Bund darauf besteht, dass auch der 25-prozentige Anteilseigner Siemens seinen Beitrag leistet. Der Technologiekonzern weigert sich jedoch weiterhin.

Laut Unternehmenskreisen fordert Siemens-Chef Roland Busch ein geordnetes Verfahren und verlangt weitere Informationen, um seinen Aktionären gerecht zu werden.Am Donnerstag bestätigte Siemens Energy, dass mit der Bundesregierung und Partnerbanken über Garantien zur Stärkung der Bilanz gesprochen wird. Infolge dieser Meldung stürzte der Aktienkurs zeitweise um rund 40 Prozent ab.

Investoren drängen nun auf eine rasche Lösung, da das projektbasierte Geschäftsmodell des Konzerns eine gesunde Bilanz erfordert, um glaubhafte Garantien ausgeben zu können. "Der Druck auf Siemens ist von allen Seiten groß", betont Felix Schröder von Union Investment gegenüber dem Handelsblatt.

Auch Koalitionspolitiker aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages fordern eine starke Beteiligung der Siemens AG. Laut dem haushaltspolitischen Sprecher der FDP, Otto Fricke, gab es unternehmerische Fehlentscheidungen, die Siemens nicht auf den Staat abwälzen könne. Eine staatliche Unterstützung könne nur erfolgen, wenn Siemens seinen Teil dazu beitrage und sicherstellt werde, dass es um die dauerhafte Sicherung von Arbeitsplätzen gehe und nicht um die Durchsetzung politischer Ideen.

Auch Daniela Bergdolt, Geschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, sieht Siemens in der Verantwortung und betont, dass der Konzern seinen eigenen Beitrag leisten müsse, um seine Reputation zu wahren. "Der Name Siemens steht immer noch dahinter", so Bergdolt.

Auch SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff ist der Ansicht, dass Siemens nicht alle Verantwortung auf den Staat abschieben kann und eine eigene Beteiligung notwendig ist. "Wenn der Staat sich beteiligt, muss auch Siemens Energy seinen Teil dazu beitragen", sagt er und betont, dass beispielsweise Bonuszahlungen vorerst vom Tisch wären. In Verhandlungskreisen rechnet man damit, dass Siemens in den nächsten Tagen einlenken wird, was eine schnelle Einigung ermöglichen würde. "Wenn Busch einlenken würde, hätten wir bereits eine Lösung", erklärt ein Regierungsvertreter.

Auch Bundeskanzler Scholz äußerte sich am Freitag positiv über die Gespräche mit Siemens Energy und bezeichnete sie als "sehr gut und vertraulich". Der Energiesektor spielt eine entscheidende Rolle in der deutschen Energiewende und Siemens Energy ist mit seinem Portfolio aus konventionellen Kraftwerken, erneuerbaren Energien und Übertragungstechnik ein wichtiger Akteur in diesem Bereich.

Daher besteht auch ein hohes Interesse in der Politik, das Unternehmen zu stützen. Das Hauptproblem von Siemens Energy sind die hohen Verluste im Windkraftgeschäft, die sowohl auf schwierige Marktbedingungen als auch auf eigene Probleme zurückzuführen sind. So gab es in der Vergangenheit schwerwiegende Qualitätsprobleme bei einer neuen Turbinengeneration, die nun indirekt Auswirkungen auf die benötigten Garantien haben.

Siemens Energy muss lang laufende Milliardenaufträge abwickeln, beispielsweise für Gaskraftwerke und Stromnetze. Die Kunden erwarten daher, dass das Unternehmen finanziell in der Lage ist, dies zu stemmen und auch in Zukunft einen Service zu bieten. Früher stand der Siemens-Konzern mit seiner großen Finanzkraft im Hintergrund, seit der Abspaltung muss Siemens Energy jedoch jährlich Tausende von Bankbürgschaften erneuern. Dies ist aufgrund der geschwächten Finanzkraft aufgrund der Windkraftverluste und der Zinsanstieg erschwert.

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens Energy, Joe Kaeser, betonte, dass das Unternehmen lediglich Garantien benötige und keine finanzielle Unterstützung vom Staat. Alle Segmente außer dem Windgeschäft laufen gut und in einigen Bereichen sogar besser als bei der Konkurrenz. Die Bürgschaften sollen dazu beitragen, die "gewaltigen Wachstumschancen" des Unternehmens zu unterstützen.

Nach aktuellen Informationen aus Finanzkreisen ist ein 15-Milliarden-Euro-Bürgschaftspaket geplant, wobei der Bund acht Milliarden, die Banken zwei Milliarden und Siemens fünf Milliarden tragen sollen. Aktuell ist dies der Stand der Verhandlungen, jedoch sind geringfügige Änderungen noch möglich.

Die Staatshilfe ist jedoch umstritten. Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht keine überzeugende Begründung für den Staat, Siemens Energy finanziell oder mit Bürgschaften zu unterstützen. Es sei Sache der Gläubiger und Aktionäre, das Unternehmen zu sanieren und auf ihre Ansprüche zu verzichten.

Zudem könnten Windräder auch aus anderen Ländern importiert werden, falls Siemens Energy die Produktion einstelle. In Industriekreisen wird darauf hingewiesen, dass dies ein systemisches Problem sei und sich alle Unternehmen in dieser Branche damit auseinandersetzen müssen. Für die Energiewende sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten enorme Investitionen notwendig, wobei es sich um langfristige Projekte mit einem Milliardenvolumen handelt.

Diese müssen alle abgesichert werden, wofür private Unternehmen nicht alle Risiken tragen können. Angesichts der hohen Investitionen gestaltet es sich schwierig, in den neuen Geschäftsfeldern Gewinne zu erzielen. Es wird deutlich, dass das System an seine Grenzen stößt.

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