Business

19.10.2023, 09:00

MSC bleibt hoffnungsvoll: Fusion der deutschen Nordseehäfen noch im Rennen

Durch den Einstieg von MSC ändert sich die Situation, wobei Experten einen Zusammenschluss als dringend erachten

MSC steigt beim Hamburger Hafenbetreiber ein und sorgt für eine neue Ausgangslage. Der zukünftige Großaktionär von HHLA, MSC, gibt trotz des geplanten Einstiegs in Hamburg den Plan einer Fusion mit den drei größten Nordseehäfen nicht vollständig auf. Laut MSC-Deutschlandchef Nils Kahn sei es derzeit zwar nicht der geeignete Zeitpunkt, über eine solche Fusion zu sprechen, da zunächst der Einstieg in Hamburg erfolgreich abgeschlossen werden müsse.

Doch MSC schließt eine Fusion für die Zukunft nicht aus, wie Kahn im Interview mit dem Handelsblatt betont. Bereits vor knapp zwei Jahren hatte es intensive Gespräche über einen Zusammenschluss der Hafenterminals in Hamburg, Wilhelmshaven und Bremerhaven gegeben, an denen die Hansestädte Bremen und Hamburg, aber auch die Reederei Hapag-Lloyd und die von Thomas Eckelmann geführte Familienfirma Eurokai beteiligt waren.

Doch seit dem geplanten Einstieg der weltgrößten Reederei MSC bei HHLA gilt das Projekt als gescheitert. Hapag-Lloyd-Großaktionär Klaus-Michael Kühne und Eckelmann fühlten sich durch den Vorstoß der Schweizer in Hamburg düpiert und kündigten zunächst sogar Abwehrmaßnahmen an. Mittlerweile haben sich die Wogen jedoch wieder geglättet, erklärt Kahn. Die Möglichkeit, dass MSC in Zukunft erneut eine Fusion vorantreiben könnte, ist aus Sicht der Schweizer Reederei verständlich. Schließlich wird von Experten, unter anderem vom Kiel Institut für Weltwirtschaft, schon seit Jahren ein solcher Zusammenschluss als möglicher Befreiungsschlag empfohlen.

Deutschlands Küste verliert seit Jahren in der maritimen Wirtschaft an Anziehungskraft, da die Umschläge 2022 rückläufig waren. Insbesondere die hohen Löhne der Hafenarbeiter und die fehlende Automatisierung haben zu steigenden Hafengebühren geführt, weshalb Hamburg zunehmend Marktanteile an die Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen verliert.

Auch die Häfen in Danzig, Valencia oder Genua holen immer mehr auf. Aufgrund der betrieblichen Mitbestimmung hat MSC bei HHLA kaum einen Hebel, um die Personallast zu senken, weshalb eine Fusion mit den Konkurrenten möglicherweise die einzige Möglichkeit darstellt, um die eigenen Kosten zu reduzieren.

Der Einstieg von MSC in Hamburg bringt die Karten nun neu in Bewegung und gerät insbesondere Eurokai in die Defensive. Zusammen mit einem Partner betreibt die Firma auch in Hamburg ein Eurogate-Terminal, dessen wichtigster Kunde bislang MSC war. Doch Eurogate lässt nun durchblicken, dass das komplette Containervolumen abgezogen wird. Eckelmann sieht sich daher nun gezwungen, nach einer neuen Lösung zu suchen. Laut MSC-Deutschlandchef Kahn ist man jedoch ständig im Gespräch mit der Eurogate-Gruppe, deren Familie von Thomas Eckelmann ein wichtiger Player ist. In Bremerhaven ist man bereits gemeinsam im Terminal-Joint-Venture tätig und hat dieses vor Kurzem um weitere 25 Jahre verlängert. MSC habe großes Vertrauen in die Zukunft der deutschen Seehäfen als wichtige Umschlagzentralen in Nordeuropa.

Der Einstieg von MSC beim Hamburger Hafenbetreiber erfolgt mit einer Investition von bis zu 600 Millionen Euro und wird größtenteils aus der Portokasse des Schweizer Konzerns bezahlt. Dies zeigen nun erstmals öffentlich gewordene Zahlen. Zum Jahreswechsel 2021 verfügte MSC über 63 Milliarden Euro an Cash, wobei nur 26 Milliarden Euro langfristig finanzierte Verbindlichkeiten darstellten.

Obwohl die Geschäftszahlen des Familienkonzerns seit der Gründung im Jahr 1970 geheim gehalten werden, gelangten sie kürzlich im Rahmen eines Kaufangebots für den italienischen Reisezuganbieter Italo an die Öffentlichkeit. Laut der italienischen Zeitung "Il Messaggero" setzte MSC im vergangenen Jahr 86,4 Milliarden Euro um und erzielte einen Nettogewinn von 36,2 Milliarden Euro. MSC-Manager Kahn verweigerte jeglichen Kommentar zu den Zahlen. Die Engpässe im Schiffsverkehr während der Corona-Pandemie hatten zeitweise zu astronomisch hohen Frachtraten geführt und somit die Gewinne fast aller Containerreedereien weltweit gesteigert. Dem Eigenkapital von MSC kam dies enorm zugute und wurde beim letzten Jahresabschluss mit 91 Milliarden Euro beziffert.

Die Hansestadt Hamburg, die derzeit 69 Prozent an der börsennotierten HHLA hält, hat sich mit MSC darauf geeinigt, dass der Schweizer Konzern bis zu 49,9 Prozent der Aktien über ein öffentliches Übernahmeangebot erhält. Die knappe Mehrheit soll jedoch in städtischer Hand bleiben und nach einer Zwangsabfindung der freien Aktionäre könnte HHLA von der Börse genommen werden. Die Offerte wird derzeit von der Finanzaufsicht Bafin geprüft und aufgrund des hohen Aufschlags von 57 Prozent über dem gewichteten Durchschnittskurs der vorherigen 30 Tage geht MSC davon aus, dass die Freigabe bereits in drei Wochen erfolgen wird. Anschließend muss noch die Zustimmung der politischen Gremien der Hansestadt eingeholt werden, wobei der notwendige Bürgerschaftsentscheid voraussichtlich Anfang 2024 getroffen wird. MSC hat sich jedoch bereits am freien Markt 3,26 Prozent der Stimmrechte gesichert, was sich als cleverer Schachzug erweisen könnte.

Kurz nach Bekanntgabe des Deals verkündete die EU-Kommission das Ende der Kartellfreistellung für die drei global agierenden Containerreederei-Allianzen, die seit Jahren ihre Fahrgebiete untereinander aufteilen. Ab April2024 müssen Häfen wie Hamburg nur noch mit einzelnen Seefahrtsfirmen über ihre Gebühren verhandeln, anstatt mit den mächtigen Zusammenschlüssen. Dadurch wird der Preisdruck auf HHLA voraussichtlich sinken und der Ertrag steigen.

Gleichzeitig will MSC den Hamburger Hafenbetreiber weiter entwickeln und sich eng mit dem Vorstand und der Stadt abstimmen. Als Vorbild hierfür dient die MSC-Beteiligung im spanischen Hafen Valencia, wo die Schweizer erst vor Kurzem angekündigt haben, eine Milliarde Euro in den Bau eines neuen Containerterminals zu investieren. Seit dem Einstieg von MSC im Jahr 2016 ist das jährliche Umschlagvolumen von 56.000 auf 1,6 Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen. Hierfür wurden gemeinsam mit der staatlichen Hafenverwaltung Investitionen in die Kaimauern getätigt. Heute zählt Valencia zu den vier größten Häfen Europas.

Allerdings wird es für HHLA eine Herausforderung werden, konkurrierende Containerreedereien davon abzuhalten, in Zukunft andere Häfen wie Wilhelmshaven oder Bremerhaven zu nutzen und somit die Hafengebühren an MSC zu zahlen.

Erleben Sie den neuen Standard in der Aktienanalyse

Für 2 € sichern

News