Großinvestor zieht sich zurück: Verhandlungen mit Ford gescheitert

5.10.2023, 19:00

Auf einer Betriebsversammlung verkündet das deutsche Ford-Management der Belegschaft eine böse Überraschung

Am Donnerstag gab das deutsche Ford-Management auf einer Betriebsversammlung am Sorgenstandort Saarlouis eine enttäuschende Nachricht bekannt. Der geplante Verkauf des Werks an einen Großinvestor ist gescheitert, wie Ford-Deutschlandchef Martin Sander dem Handelsblatt mitteilte. Dies bedeutet ein erneutes Aufschieben der Entscheidung über die Zukunft von bis zu 2500 Jobs in der Region.

Derzeit sind 4500 Mitarbeiter bei Ford im Saarland beschäftigt und weitere 1300 Zuliefererjobs hängen vom Werk ab. Das Management wird nun mit den Sozialpartnern aushandeln, wie eine Zukunftslösung für den Standort aussehen und welche Bereiche der Belegschaft betroffen sein werden.

Trotz des Scheiterns des Deals mit dem Großinvestor hofft das Management nun auf die Möglichkeit eines Industrieparks mit mehreren Investoren. Eine Garantie, dass 1000 Arbeitsplätze am Standort erhalten bleiben, hat Ford bereits zuvor gegeben, falls kein Ankerinvestor einspringt.

Bereits seit Sommer 2022 ist klar, dass Ford das Werk in Saarlouis schließen wird. Das Unternehmen entschied sich dazu, die Produktion der nächsten Generation von Elektroautos nicht im Saarland, sondern in Valencia, Spanien, durchzuführen. Als spät umgestellter Hersteller leidet Ford unter sinkenden Marktanteilen in Europa. Im vergangenen Jahr verkaufte das Unternehmen laut dem Datendienstleister Marklines insgesamt 756.000 Fahrzeuge in Europa, wovon nur knapp 27.000 reine E-Autos und 55.000 Plug-in-Hybride waren – ein Verhältnis, das unter den großen Autoherstellern untypisch ist.

Nicht nur im Saarland, auch in anderen Teilen Deutschlands hat Ford derzeit mit Problemen zu kämpfen. Obwohl das Unternehmen nun große Pläne für die Elektromobilität hat – mit dem Ziel, bis 2030 in Europa nur noch E-Autos zu verkaufen – zeigen die Absatzzahlen des vergangenen Jahres, dass bis dahin noch eine schwierige Transformation bevorsteht.

Elektroautos sind für Ford derzeit ein klares Minusgeschäft, wie die Verluste in der Zukunftssparte von 1,8 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr zeigen. Für das Gesamtjahr wird sogar ein Verlust von bis zu 4,5 Milliarden US-Dollar erwartet. Dennoch schätzt das Management, dass aufgrund des starken Verbrenner- und Nutzfahrzeuggeschäfts weltweit ein Ebit von elf bis zwölf Milliarden US-Dollar erzielt wird.

Ford ist der einzige Autobauer, der sein Elektroautogeschäft separat in seinen Finanzberichten ausweist. Um den Weg zur Elektromobilität zu ebnen, plant Ford in den nächsten drei Jahren 3800 Stellen in Europa abzubauen, davon 2300 in Deutschland – vermutlich auch in den Werken in Aachen und Köln.

In Köln-Niehl wurde bisher der Kleinwagen Fiesta produziert, ab Sommer 2024 sollen jedoch die ersten Modelle des neuen Elektro-SUV Explorer vom Band laufen. Der Start der Produktion hat sich jedoch verzögert aufgrund des Wechsels zu einem neuen, höheren Batteriestandard.

Auch das Werk in Saarlouis ist von der strategischen Entscheidung betroffen, da dort derzeit noch der Verbrenner-Kompaktwagen Focus produziert wird. Ab 2025 wird dies jedoch enden und die Zukunft für die Beschäftigten des Werks ist ungewiss.

Momentan werden täglich rund 600 Autos bei Ford im Saarland produziert und beide Schichten sind gut ausgelastet. Ende Juni gab Deutschlandchef Sander bekannt, dass konkrete Vereinbarungen mit einem Investor eine neue Hoffnung auf Weiterbeschäftigung wecken. Dies sollte bis zum 30. September in einem bindenden Vorvertrag münden, einem Memorandum of Understanding.

Ford und die saarländische Regierung sind im Kampf um einen neuen Investor für das Ford-Werk in Saarlouis gescheitert. Nach monatelangen Verhandlungen haben beide Seiten beschlossen, keine weiteren Details bekannt zu geben. Mit wem genau die Gespräche geführt wurden, bleibt somit unklar.

Als heißer Kandidat galt bislang der chinesische Elektroautobauer BYD. In einem Interview mit dem Handelsblatt hatte BYD-Europachef Michael Shu Ende letzten Jahres Neuigkeiten zur möglichen Fertigung in Europa angekündigt. Mögliche Gespräche mit Ford wollte er jedoch nicht kommentieren.

Auch der chinesische Autobauer Chery zeigte großes Interesse an einer Produktion in Deutschland und wurde als möglicher Investor im Saarland gehandelt. Allerdings konnte auch dieses Unternehmen nicht von einem Deal überzeugt werden. Sowohl das Land als auch Ford hatten ein umfangreiches Angebotspaket vorgelegt, doch letztendlich blieb der gewünschte Investor aus.

Landeswirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) hatte den potenziellen Deal als Meilenstein auf dem Weg zur Sicherung des Standorts bezeichnet. Es war die Rede von einem Paket in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags. Doch auch dieses Angebot konnte den Investor letztendlich nicht überzeugen.

Im Frühjahr schlossen Ford und das Saarland einen Kooperationsvertrag zur Folgenutzung des Werksgeländes in Saarlouis. Dort hat das Land auch ein Optionsrecht zum Kauf der Fläche für maximal 95 Millionen Euro, falls bis zum Sommer 2025 kein geeigneter Investor gefunden wird oder das Grundstück nicht vollständig vermarktet werden kann. Im Werk in Saarlouis laufen bereits Gespräche zu Abfindungs- und Altersteilzeitpaketen. Die Belegschaft soll bis zum 1. Januar 2024 um 650 Beschäftigte reduziert werden.

Mit dieser Vereinbarung konnte Ford im Sommer eine Urabstimmung zu einem Warnstreik seitens der Gewerkschaft IG Metall verhindern. Ob es nun zu einem erneuten Aufruf zu einer Urabstimmung kommt, ließ der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in der Region, Lars Desgranges, zunächst offen. Bisher wurden bereits 100 Stellen abgebaut und etwa 20 Mitarbeiter wechselten nach Köln.

Die Gespräche mit potenziellen Investoren waren bis zur letzten Minute konstruktiv. Doch letztendlich konnte kein passender Partner gefunden werden. Ford und das Saarland müssen nun weiterhin nach einer Lösung für die Zukunft des Werksgeländes in Saarlouis suchen.

Allerdings kam es nicht dazu, da der Deal anscheinend kurz vor Abgabe scheiterte. Sander bedauert das Scheitern der Gespräche, zu den Beweggründen des Investors gibt es keine weiteren Informationen. Die Verhandlungen wurden gemeinsam mit der saarländischen Landesregierung geführt.

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