Die Reserve Bank of India (RBI) hat am Freitag ihre Wachstumsprognose für das laufende Finanzjahr 2024/25 auf 6,6 Prozent gesenkt, nachdem sie zuvor noch von 7,2 Prozent ausgegangen war. Dies unterstreicht eine deutliche Verlangsamung in einer der bislang am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt.
Gleichzeitig belässt die RBI den Leitzins bei 6,5 Prozent, nachdem dieser seit Anfang 2023 stabil gehalten wurde. Als Grund für die Entscheidung nannte die Zentralbank einen unerwarteten Anstieg der Inflation, die im Oktober über die Obergrenze des Zielkorridors von 4 bis 6 Prozent hinausging.
„Die Inflation muss im Interesse eines nachhaltigen Wachstums gesenkt werden“, erklärte RBI-Gouverneur Shaktikanta Das bei einer Pressekonferenz. Trotz schwächerer Zahlen für das zweite Quartal des Finanzjahres, in dem das BIP-Wachstum mit 5,4 Prozent den niedrigsten Wert seit fast zwei Jahren erreichte, zeigte sich Das zuversichtlich: „Indikatoren deuten darauf hin, dass die Konjunktur ihren Tiefpunkt erreicht hat und eine Erholung einsetzt.“
Der Abschwung der indischen Wirtschaft ist vor allem auf eine Verlangsamung in der Industrie zurückzuführen, während einige Sektoren wie Öl und Stahl Anzeichen einer Erholung zeigen. „Das zweite Halbjahr sieht besser aus als das erste“, so Das weiter. Der Gouverneur hob hervor, dass auch politische Faktoren, wie die diesjährigen Wahlen, wahrscheinlich zu einem Rückgang der staatlichen Ausgaben beigetragen hätten.
Die RBI sieht sich weiterhin mit Inflationsdruck konfrontiert, was potenzielle Zinssenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft vorerst ausschließt. Analysten hatten im Vorfeld über mögliche Zinssenkungen spekuliert, insbesondere angesichts einer nachlassenden Konsumlaune in den städtischen Zentren Indiens und einer schleppenden privaten Investitionstätigkeit.
Trotz der schwachen Zahlen im ersten Halbjahr rechnen Experten mit einer moderaten Verbesserung in der zweiten Hälfte des Finanzjahres. Madan Sabnavis, Chefökonom der Bank of Baroda, geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr zwischen 6,6 und 6,8 Prozent liegen könnte. Auch Madhavi Arora, Chefvolkswirtin bei Emkay Global, äußerte sich skeptisch, ob die Wachstumsstory Indiens langfristig an Fahrt gewinnen werde, prognostiziert aber zumindest eine Stabilisierung.
Indiens Premierminister Narendra Modi, der im Juni seine dritte Amtszeit gewann, setzt weiterhin auf umfangreiche Infrastrukturinvestitionen und ausländische Direktinvestitionen, um die Wirtschaft zu stärken. Die Verlangsamung der Wachstumsdynamik stellt jedoch eine Herausforderung für seine langfristige wirtschaftspolitische Agenda dar.