Helmut Schlesinger: Der Mann, der die D-Mark unerschütterlich machte

29.12.2024, 07:23

Wie ein Visionär aus Bayern den monetären Kurs der Bundesbank prägte – und warum sein Vermächtnis bis heute nachhallt

Eulerpool News 29. Dez. 2024, 07:23

Es war einmal ein Mann, der die D-Mark in den Olymp der stabilsten Währungen der Welt katapultierte – Helmut Schlesinger. Der ehemalige Präsident der Bundesbank, der im Alter von 100 Jahren verstarb, verkörperte die Essenz deutscher Geldpolitik wie kaum ein anderer. Sein Lebenswerk war geprägt von eiserner Disziplin, scharfem Verstand und einer beinahe stoischen Hingabe an die Stabilität.

Der Architekt des "Pragmatischen Monetarismus"

Schlesinger, geboren 1924 im bayerischen Penzberg, war der Bundesbank-Intellektuelle schlechthin. Schon als er 1972 in den Vorstand der Bundesbank eintrat, galt er als der "Arch-Monetarist", der das bahnbrechende Zielsystem der Geldmengensteuerung 1974 einführte. Die Idee: Inflation nicht nur bekämpfen, sondern präventiv aushebeln. Doch Schlesinger war kein dogmatischer Monetarist. Seine berühmte Aussage von 1985, „Pragmatischer Monetarismus darf nicht mit starrer Lehrtreue verwechselt werden“, ist eine Lektion für jeden Zentralbanker.

Ein Aufstieg aus dem Schatten – und eine Entscheidung, die Europa erschütterte

Im Jahr 1991 übernahm Schlesinger die Präsidentschaft der Bundesbank – ein Amt, das er selbst nie angestrebt hatte. Sein Vorgänger Karl Otto Pöhl hatte das Handtuch geworfen, nachdem Helmut Kohl die Mahnungen der Bundesbank zur deutschen Währungsunion ignoriert hatte. Die Einführung der D-Mark in Ostdeutschland zu einem unvorteilhaft niedrigen Wechselkurs – gegen die klare Empfehlung der Bank – war ein Vorbote kommender Konflikte.

Schlesinger, der an seinem ersten Arbeitstag als Präsident die Zinsen drastisch anhob, war bekannt für seine unbeirrbare Haltung. Binnen eines Jahres stieg der Leitzins auf ein Rekordniveau von 8,75 %. Das Resultat? Eine kurze, aber heftige Rezession und ein Sturm auf den europäischen Wechselkursmechanismus, der das britische Pfund und die italienische Lira aus dem System katapultierte. Die deutsche Politik murrte, europäische Partner protestierten – doch Schlesinger blieb standhaft.

Der "Preuße" aus Bayern

Mit seinem Auftreten – höflich, korrekt, aber unnachgiebig – wurde Schlesinger im Ausland oft als „der Preuße der Bundesbank“ bezeichnet, eine Zuschreibung, die er mit einem verschmitzten Lächeln quittierte. Tatsächlich aber war er tief in seiner bayerischen Heimat verwurzelt. Nach dem Krieg, in dem er als Gebirgsjäger diente, studierte er Volkswirtschaft in München und begann 1952 seine Karriere bei der Bundesbank.

In den 1970er Jahren formte er die Geldpolitik Deutschlands maßgeblich. Er übernahm persönlich die Redaktion der Monatsberichte der Bundesbank – mit Bleistift handschriftlich korrigiert, wie es der heutige Präsident Joachim Nagel bewundernd beschreibt. Sein Einfluss reichte weit über die deutschen Grenzen hinaus und inspirierte später sogar die Politik der Europäischen Zentralbank.

Vom Kritiker zum Verteidiger des Euro

Auch in der europäischen Geldpolitik war Schlesinger eine zentrale Figur. Obwohl er skeptisch gegenüber einer Währungsunion war – er sah den Euro als politisches Projekt, dem die ökonomische Grundlage fehlte – stellte er sich nach seinem Ausscheiden aus dem Amt loyal hinter die Gemeinschaftswährung. „Ein Kollaps des Euro wäre eine Katastrophe“, warnte er noch während der Eurokrise 2012.

Doch seine kritische Stimme verstummte nie ganz. Seine Bemerkung, dass den Pariser Währungsbehörden 1993 „alles fehlte außer Glaubwürdigkeit“, bleibt ein prägnanter Ausdruck seines unbestechlichen Blicks.

Ein Vermächtnis für die Ewigkeit

Schlesinger war mehr als ein Zentralbanker. Er war ein Wächter der Stabilität, ein Denker, der Geldpolitik als Kunst und Wissenschaft verstand, und ein Mann, der nie seine Prinzipien verriet. Seine 41 Jahre bei der Bundesbank hinterlassen Spuren, die auch Jahrzehnte nach seinem Abschied von Bedeutung sind.

Die D-Mark, das Symbol deutscher Wirtschaftsstärke, ist Geschichte. Aber die Werte, für die sie stand – und die Helmut Schlesinger verkörperte – leben weiter.

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