Business

VW erwägt erstmals Werksschließungen in Deutschland angesichts schwerwiegender wirtschaftlicher Herausforderungen

Volkswagen steht vor einer historischen Entscheidung, da das Unternehmen erstmals in seiner 87-jährigen Geschichte Werksschließungen in Deutschland erwägt.

Eulerpool News 3. Sept. 2024, 08:00

Volkswagen könnte erstmals in seiner Geschichte deutsche Werke schließen, da sich die wirtschaftliche Lage der europäischen Automobilindustrie zunehmend verschärft. Diese Maßnahme steht im Kontext eines Sparprogramms, das hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Einsparungen, die durch Vorruhestands- und freiwillige Abfindungspakete erzielt wurden, sind nicht ausreichend, um die notwendigen strukturellen Anpassungen zu erreichen, wie der Konzern am Montag mitteilte.

VW-Chef Oliver Blume erklärte, dass das Unternehmen angesichts des harten wirtschaftlichen Umfelds und neuer Wettbewerber auf dem europäischen Markt „entschlossen handeln“ müsse. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Europa ist geringer als erwartet, was auch Volkswagen hart trifft, insbesondere in China, dem profitabelsten Markt des Unternehmens, wo der Marktanteil schrumpft.

Im Juni 2024 hatte die Hauptmarke von Volkswagen angekündigt, bis 2026 Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro einsparen zu wollen, mit dem Ziel, eine operative Marge von 6,5 Prozent zu erreichen. Im ersten Halbjahr 2024 sank die operative Marge jedoch auf nur noch 2,3 Prozent.

Die Ankündigung, möglicherweise Werke zu schließen, steht in direktem Widerspruch zu früheren Zusagen, keine Arbeitsplätze in Deutschland bis 2029 abzubauen. Diese Wende könnte zu einem offenen Konflikt mit dem Betriebsrat führen, der traditionell stark in die Unternehmensentscheidungen eingebunden ist.

VW beschäftigt in Deutschland rund 300.000 Mitarbeiter, knapp die Hälfte der weltweiten Belegschaft. Der Erhalt von Arbeitsplätzen ist ein zentrales Anliegen des Bundeslandes Niedersachsen, das 20 Prozent des Unternehmens besitzt und oft auf der Seite des Betriebsrats steht. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil betonte, dass Handlungsbedarf bestehe, äußerte jedoch die Erwartung, dass Werksschließungen vermieden würden.

Daniela Cavallo, Vorsitzende des VW-Betriebsrats, äußerte sich besorgt über die Pläne des Managements, die deutschen Werke und bestehende Tarifverträge infrage zu stellen. „Mit mir wird es keine VW-Werksschließungen geben!“, sagte Cavallo in einer Mitteilung an die Mitarbeiter.

Die Diskussionen über Umstrukturierungen bei Europas größtem Automobilhersteller kommen zu einem Zeitpunkt, an dem VW mit rückläufiger Nachfrage auf dem Heimatmarkt und in China sowie neuen Wettbewerbern aus China konfrontiert ist. Analysten fordern seit langem, dass Volkswagen Stellen abbaut, um die notwendigen Kosteneinsparungen zu erzielen und die Umstellung auf Elektrofahrzeuge zu bewältigen.

Matthias Schmidt, unabhängiger Autoanalyst, sprach von einem „kulturellen Wandel“ bei Volkswagen und äußerte die Erwartung, dass die Gewerkschaften dieses Mal eher kompromissbereit sein könnten. Auch Daniel Schwarz, Automobilanalyst bei Stifel, bemerkte eine Veränderung im Ton von Cavallo, die die Probleme des Unternehmens anerkannte und direkte Kritik an Blume vermied. „Die Reaktion der Gewerkschaften ist durchaus ermutigend“, fügte er hinzu.

Die bevorstehenden Verhandlungen zwischen dem Management und den Arbeitnehmervertretern könnten wegweisend für die Zukunft des Konzerns und seine Fähigkeit sein, sich den neuen Herausforderungen in der Automobilindustrie zu stellen.

Professional-grade financial intelligence

20M+ securities. Real-time data. Institutional insights.

Trusted by professionals at Goldman Sachs, BlackRock, and JPMorgan

Favoriten unserer Leser