Der Kochboxenversender HelloFresh hat seine Prognose für den bereinigten operativen Gewinn (EBITDA) gesenkt und das obere Ende der Umsatzzielspanne gekappt. Grund dafür seien temporäre Belastungen im Segment Nordamerika im Schlussquartal, wie das Berliner Unternehmen mitteilte. Die Prognose für das Jahr 2024 bleibe jedoch unverändert, da die Auswirkungen als "überwiegend vorübergehend" eingeschätzt werden.
Laut HelloFresh wird beim bereinigten operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes EBITDA, oder AEBITDA) nun mit einer Spanne von 430 bis 470 Millionen Euro gerechnet, im Vergleich zu den bisherigen 470 bis 540 Millionen. Beim Umsatz soll das Wachstum im Jahr 2023 währungsbereinigt nur noch bei 2 bis 5 Prozent liegen, anstatt der zuvor prognostizierten 2 bis 8 Prozent, wie der MDAX-Konzern bekannt gab.
Laut HelloFresh haben Analysten bisher mit einem bereinigten EBITDA von rund 495 Millionen Euro (arithmetisches Mittel) gerechnet. Ursache für das geringere Umsatzwachstum seien die schwächer als erwarteten Neukundenakquisitionen "in bestimmten Schlüsselwochen" des Schlussquartals sowie Probleme bei der Hochlaufphase der Produktionskapazitäten für Fertiggerichte.
In der neuen Produktionsstätte in Arizona kam es vorübergehend zu Engpässen in der Wasserversorgung und beim Personal, während in der bestehenden Fertigung in Illinois längere Wartungsarbeiten als geplant angesetzt werden mussten.
Die überraschende Senkung der Prognose nur wenige Wochen nach Vorlage der Quartalszahlen hat bei HelloFresh am Aktienmarkt zu einem deutlichen Vertrauensverlust geführt. Die Aktien fielen am Donnerstag kurz nach Handelsbeginn um 20 Prozent auf 16,30 Euro und notierten zuletzt bei einem Minus von 22,33 Prozent bei 15,93 Euro. Der Konzern hatte am Vorabend aufgrund unerwarteter Probleme im wichtigsten Einzelmarkt USA seine Jahresziele gesenkt. Als Begründung wurden unter anderem niedrigere Neukundenzahlen in wichtigen Wochen des laufenden Quartals, wie beispielsweise rund um das US-Erntedankfest (Thanksgiving), genannt.
Doch HelloFresh hat nicht nur mit Problemen in den USA zu kämpfen. Beim Hochfahren der neuen Produktionsstätte in Arizona gab es unerwartete Verzögerungen. Dabei setzt das Unternehmen große Hoffnungen in die sogenannte Ready-To-Eat-Produktlinie, die bis 2025 das wichtigste Standbein werden soll. Zusätzlich erschweren die Wasserknappheit in Arizona und Personalmangel die Herstellungsprozesse. In Illinois dauerte die geplante Wartung einer Produktionsstätte länger als geplant.
Die Analystin Nizla Naizer von der Deutschen Bank kommentierte die Prognosesenkung als "nicht das vierte Quartal, das wir erwartet hatten". Obwohl die Gründe vorübergehender Natur seien, bleibe sie vorsichtig und empfehle daher, abzuwarten. Sie senkte ihre Kaufempfehlung und stuft die Aktie nun als "Halten" ein. Deutlich skeptischer ist William Woods vom Analysehaus Bernstein Research, der die Aktien sogar als "Underperform" einstuft.
Er bezweifelt, dass die Gründe für die Prognosesenkung nicht schon vor einigen Wochen bei Vorlage der Quartalszahlen erkennbar waren. Zudem habe das Management von HelloFresh, obwohl es die Probleme als vorübergehend ansieht, eingeräumt, dass das US-Geschäft mit Kochboxen schwächelt. Woods glaubt, dass dies ein strukturelles Problem ist. Der Markt sei bereits stark gesättigt, Kunden wechselten häufig und die Nutzererfahrung sei eher schlecht. Das Geschäftsmodell an sich gestalte sich daher schwierig, was sich auch im Jahr 2024 zeigen werde.
Mit dem Kursrutsch am Donnerstag haben die Aktien von HelloFresh seit dem Jahreshoch im September mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. Für das Jahr 2023 steht nun ein Minus von gut einem Fünftel auf dem Kurszettel. Der Börsenwert ist damit auf 2,8 Milliarden Euro gesunken. Während der Corona-Pandemie zählten Essenslieferanten wie HelloFresh zu den Favoriten der Anleger.
Die Schließung von Restaurants und der Aufenthalt zu Hause führten zu einem Anstieg von Bestellungen von fertigen Mahlzeiten oder Zutaten zum Selberkochen. Im November 2021 hatten die Aktien noch fast 100 Euro gekostet - vor der Pandemie waren es weniger als 10 Euro. Im Spätherbst 2017 war das Unternehmen mit einem Ausgabepreis von 10,25 Euro an die Börse gegangen.