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EU-Kritik an Berlin: Widerstand gegen Übernahme von Commerzbank durch UniCredit löst Debatte über europäische Integration aus
Der Widerstand der deutschen Regierung gegen die Übernahme der Commerzbank durch UniCredit führt zu heftiger Kritik aus Brüssel und europäischen Hauptstädten.
Mehrere hochrangige EU-Vertreter kritisierten die Bundesregierung scharf für ihre Ablehnung eines Zusammenschlusses der Commerzbank mit UniCredit. Yannis Stournaras, Gouverneur der Bank von Griechenland, bezeichnete das Vorgehen als unvereinbar mit den Zielen der EU: „Grenzüberschreitende Fusionen sollten nicht als politisches, sondern als technisches Thema betrachtet werden. Ob es sich um eine deutsche oder eine italienische Bank handelt, sollte keine Rolle spielen – entscheidend ist, dass es eine starke europäische Bank ist.“
Die Kritik folgt auf die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz, sich gegen die Übernahmepläne von UniCredit zu stellen, nachdem die italienische Bank angekündigt hatte, ihren Anteil an der Commerzbank von 9 auf 21 Prozent zu erhöhen – vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsbehörden.
Wenige Tage zuvor hatte die deutsche Regierung den Verkauf weiterer Anteile an der Commerzbank gestoppt, nachdem sie 4,5 Prozent in einem nachbörslichen Blockhandel an UniCredit verkauft hatte. Der deutsche Staat hält nach dieser Transaktion noch 12 Prozent der Anteile an der Commerzbank.
„Unfreundliche Übernahmen sind keine gute Sache für Banken, und deshalb hat sich die deutsche Regierung klar positioniert“, sagte Scholz. Der Finanzminister Christian Lindner teilte ähnliche Bedenken mit Italiens Finanzministerium und warnte vor einer feindlichen Übernahme.
Die ablehnende Haltung Berlins steht jedoch im Widerspruch zu den erklärten Zielen der Kapitalmarktunion und einer stärkeren Integration des europäischen Bankensektors, wie Stimmen aus Brüssel und anderen EU-Hauptstädten betonen. Ein ehemaliger EU-Kommissar, der anonym mit der Financial Times sprach, bezeichnete die deutsche Position als „widersprüchlich“: „Es ist schwer, gegen einen Zusammenschluss zu argumentieren, wenn die Bundesregierung ernsthaft die europäische Integration und die Bankenunion fördern will.“
Auch Stournaras wies auf die Schwächen des fragmentierten europäischen Bankensektors hin, der an nationalen Grenzen haltmacht und daher im Wettbewerb mit US-Banken zurückfalle. „Wir brauchen europäische Bankenchampions, die mit den amerikanischen Wettbewerbern konkurrieren können. Dafür ist eine grenzüberschreitende Konsolidierung unerlässlich“, erklärte er. Die jüngste Beteiligung von UniCredit an der griechischen Alpha Bank sei „von allen Seiten positiv aufgenommen worden“.
Die Ablehnung des UniCredit-Deals in Deutschland wird in Italien und Brüssel als inkonsequent betrachtet. Ein italienischer Kabinettsminister warf Berlin „Heuchelei“ vor, da die Bundesregierung erst kürzlich die Übernahme der maroden italienischen Fluggesellschaft Ita Airways (ehemals Alitalia) durch die Lufthansa genehmigt habe. „Deutschland hat sich immer pro-EU gezeigt und die Bankenunion gepredigt. Aber sobald die Commerzbank das Ziel eines italienischen Konkurrenten wird, wird es plötzlich als feindlicher Akt bezeichnet“, kritisierte der Minister.
Auch in Brüssel stößt Berlins Haltung auf Unverständnis. Hochrangige EU-Diplomaten verwiesen darauf, dass die deutsche Position unmittelbar nach der Vorstellung eines Berichts des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi erfolgte, der zur Fertigstellung der Kapitalmarktunion aufrief. Der Bericht hatte explizit die Notwendigkeit von Fusionen zur Schaffung widerstandsfähigerer Unternehmen betont.
„Wenige Tage nach dem Draghi-Bericht und dem Beginn einer neuen Initiative zur Integration der Kapitalmärkte geht Berlin in die entgegengesetzte Richtung und torpediert damit effektiv alles“, sagte ein EU-Diplomat.
Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die die Haltung der Bundesregierung hinterfragen. Stefan Kooths, Leiter der Wirtschaftsforschung am Kiel Institut für Weltwirtschaft, kritisierte, dass die politischen Akteure in Deutschland offenbar kein ausreichendes Verständnis für die Prinzipien des Binnenmarkts und der Kapitalmarktunion hätten. „Unternehmen haben keine Pässe“, sagte er und betonte, dass nur Bankenaufseher und Kartellbehörden berechtigt seien, gegen eine Übernahme Einspruch zu erheben.
„Diese Debatte zeigt leider, dass wir in der EU die Regeln des Binnenmarkts nicht wirklich so anwenden, wie sie ursprünglich gedacht waren“, fügte Kooths hinzu.