Der britische Pharmakonzern AstraZeneca sieht sich in China mit einer intensiven Untersuchung konfrontiert, da der lokale Geschäftsführer Leon Wang im Zentrum eines Ermittlungsprozesses steht. In einer Mitteilung aus Shanghai erklärte das Unternehmen am Mittwoch, dass Wang „mit einer laufenden Untersuchung kooperiert“. Details zur Art der Untersuchung blieben unklar.
Leon Wang, der seit 2013 bei AstraZeneca tätig ist und maßgeblich am Aufbau des Unternehmens in China beteiligt war, spielt eine zentrale Rolle in den Geschäften des Konzerns. Unter seiner Führung erzielte AstraZeneca im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,9 Milliarden US-Dollar in China, womit das Unternehmen der umsatzstärkste ausländische Arzneimittelhersteller im Land ist. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen führte die kürzliche Bekanntgabe zu einem Kursrückgang der Aktie um 4 % an der Londoner Börse.
Die Ermittlungen folgen auf Vorfälle im vergangenen Monat, bei denen mehrere Mitarbeiter von AstraZeneca in Shenzhen wegen möglicher Verstöße gegen Datenschutzgesetze und des Imports nicht lizenzierter Medikamente festgenommen wurden. Ob Wangs Untersuchung direkt mit diesen Vorfällen zusammenhängt, ist bislang unklar. AstraZeneca betonte, dass die Geschäfte in China weiterhin von Michael Lai, dem aktuellen General Manager, geleitet werden und dass das Unternehmen vollständig mit den Behörden kooperiert.
Die Anti-Korruptionskampagne der chinesischen Regierung setzt ihren Druck auf den Privatsektor fort und betrifft mittlerweile zahlreiche Branchen, von Finanzen bis hin zu Pharmaunternehmen. Ziel ist es, Bestechung, Missbrauch öffentlicher Gelder und andere Missstände zu bekämpfen, die die Kosten im Gesundheitswesen in die Höhe treiben. Diese Maßnahmen haben auch zur Suspendierung der Betriebslizenz von PwC China geführt, nachdem das Unternehmen in einen Bilanzierungsskandal verwickelt war.
Trotz der Herausforderungen bleibt die Pharmaindustrie ein wichtiger Wachstumsbereich für China, insbesondere für ausländische Unternehmen wie AstraZeneca. Der Konzern investierte kürzlich 1,2 Milliarden US-Dollar in die Übernahme des Zelltherapieunternehmens Gracell Biotechnologies, um seine Präsenz und Innovationskraft im Land zu stärken. Pascal Soriot, CEO von AstraZeneca, betonte Anfang des Jahres, dass China eine „große Quelle der Innovation“ sei und die strategische Bedeutung des Marktes für das langfristige Wachstum des Unternehmens unbestritten sei.
Analysten sehen in den aktuellen Entwicklungen ein Zeichen der wachsenden regulatorischen Risiken für internationale Unternehmen in China. Während AstraZeneca versucht, durch strategische Investitionen und lokale Partnerschaften seine Marktposition zu festigen, könnten weitere regulatorische Eingriffe die Expansion und Rentabilität beeinträchtigen. Die anhaltende Unsicherheit im chinesischen Markt stellt somit eine bedeutende Herausforderung für den globalen Pharmakonzern dar.