Im März letzten Jahres hatte Wolfspeed-Chef Gregg Lowe freudestrahlend die Pläne für eine neue Chipfabrik auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks in Ensdorf präsentiert. Damals verkündeten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Manager Lowe voller Pomp ihre Zusammenarbeit. Doch ein Jahr später steht der genaue Beginn der Bauarbeiten immer noch aus.
In einer Telefonkonferenz mit Analysten gab Lowe an, dass die Genehmigung des European Chips Act noch aussteht und er nicht vor 2025 mit dem Baubeginn rechnet. Obwohl Wolfspeed bereits eine erste Förderzusage im Rahmen des europäischen IPCEI-Programms erhalten hat, hat das Unternehmen weitere Mittel aus dem European Chips Act beantragt. Die Details dazu wollte das Unternehmen auf Anfrage nicht preisgeben.
Im vergangenen Jahr hatte Lowe noch den Eindruck erweckt, als würde der Bau unmittelbar nach Genehmigung der IPCEI-Förderung starten.
Doch mittlerweile spielt das Engagement in Deutschland für Lowe nur noch eine untergeordnete Rolle. Seine Priorität liegt nun auf dem Hochfahren der neuen Fabriken in den USA, da das Unternehmen nicht profitabel arbeitet. Obwohl der Umsatz im letzten Quartal um ein Fünftel gestiegen ist, fiel ein Verlust von 144,7 Millionen Dollar an, was 70 Cent Verlust pro Umsatzdollar entspricht.
Dies führte zu einem Kursverlust von knapp sechs Prozent an der Börse. Zuvor hatte die Aktie bereits über 60 Prozent an Wert verloren und ist der schwächste Wert im Philadelphia Semiconductor Index (SOX) der 50 größten Halbleiterunternehmen in den USA.
Doch trotz dieser Probleme plant Wolfspeed eine weitere Milliardeninvestition im Saarland. Bis 2027 soll eine Fabrik für Siliziumkarbid-Chips (SiC) errichtet werden, an der sich der deutsche Autozulieferer ZF mit 170 Millionen Euro beteiligt. Dieses Projekt ist nicht nur für das Saarland von Bedeutung, sondern auch für Europa, da es eins der wenigen Erfolge in der sonst zäh verlaufenden Aufholjagd in der Chipproduktion darstellt.
Der Staat fördert den Bau mit mehreren Hundert Millionen Euro. Doch in der Branche stieß der Plan von Anfang an auf Skepsis, da im Saarland bisher kein anderes Chipwerk existiert. Ein hochrangiger Manager eines anderen Halbleiterherstellers erklärt: "Wir würden nie dorthin gehen". Es gebe weder branchenkundige Fachkräfte noch lokale Zulieferer, und es fehlen die Größenvorteile eines Chipclusters wie in Dresden.
Insbesondere der weltweit führende Auftragsfertiger TSMC hat vergangenen Sommer zehn Milliarden Euro in die sächsische Landehauptstadt investiert, da sie von dem Umfeld mehrerer Chipfabriken und Forschungseinrichtungen profitieren wollen.
Doch Wolfspeed-Chef Lowe setzt andere Prioritäten und betont den Zugang zu Personal von Partner ZF sowie aus der Region als den wichtigsten Faktor für den Standort im Saarland. ZF hat 9500 Mitarbeiter im Saarland und möchte einige davon in dem neuen Werk beschäftigen. Doch in den letzten Monaten hatte Wolfspeed Schwierigkeiten, die neuen Fabriken in Amerika hochzufahren.
Die Kosten für nicht ausgelastete Maschinen und Anlaufkosten haben im letzten Quartal zu Verlusten geführt. Grund dafür ist, dass Wolfspeed von den bisher üblichen 150 Millimeter großen Scheiben auf 200 Millimeter wechselte, auf denen die Chips produziert werden. Dieser Wechsel wird als wegweisend für die gesamte Industrie angesehen, sagt Taha Ayari von Marktforscher Yole.
Lowe ist jedoch stolz auf die Ergebnisse im letzten Quartal und gibt an, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren 120 Automodelle von 30 Herstellern mit den Bauteilen von Wolfspeed ausgestattet werden. Doch der Umstieg auf die 200 Millimeter muss schnell erfolgen, damit Wolfspeed einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz hat. Ansonsten könnten die Konkurrenten aufschließen.
Im Gegensatz zu den wichtigsten Wettbewerbern hat sich Wolfspeed voll auf Siliziumkarbid fokussiert, während die Konkurrenz viel größer und finanzkräftiger ist. Das Umsatzranking in diesem Bereich wird von STMicroelectronics, Onsemi und Infineon angeführt, gefolgt von Wolfspeed auf dem vierten Platz.
Die Konkurrenten bauen jedes Jahr neue SiC-Fabriken in Italien, China, Singapur und Malaysia, während auch zusätzliche Kapazitäten in China entstehen. Experten sagen, dass es auf jeder Stufe der Lieferkette eine breite Palette von Anbietern in China gibt.
Dennoch hält ZF-Chef Holger Klein an dem gemeinsamen Vorhaben im Saarland fest und sieht es als strategisch wichtig für das Unternehmen, sich mit den Stromsparchips eine Schlüsseltechnologie für Elektroautos zu sichern.
Obwohl der Konzern bereits vergangenes Jahr einen Vertrag mit STMicroelectronics für SiC-Chips abgeschlossen hat, ist das Projekt im Saarland für die Firma von großer Bedeutung. Finanziell könnte ZF das Projekt jedoch nicht in großem Umfang unterstützen, da der Konzern rund zehn Milliarden Euro Schulden hat. Doch egal, wie es für Wolfspeed weitergeht, es ist ein wichtiger Schritt für Europa in der Chipproduktion.