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Deutschland vor der Schuldenbremse – Merz muss sich entscheiden
Friedrich Merz, voraussichtlicher Kanzler, steht vor der Herausforderung, Deutschlands Schuldenbremse zu reformieren und Investitionen zu ermöglichen.
Mit der Aussicht, Deutschlands nächster Kanzler zu werden, sieht sich Friedrich Merz einer zentralen Hürde gegenüber: der sogenannten „Schuldenbremse“. Diese, in der Verfassung verankerte Regelung, schränkt die staatliche Neuverschuldung stark ein und wird zunehmend als Wachstumsbremse gesehen. Experten warnen, dass die starre Regel Deutschlands Investitionspotenzial beeinträchtigt, insbesondere vor dem Hintergrund maroder Infrastruktur, unterfinanzierter Verteidigung und steigender wirtschaftlicher Herausforderungen durch die USA.
Jens Südekum, Professor für internationale Wirtschaft an der Universität Düsseldorf, äußerte Bedenken, dass die Schuldenbremse umfassende Investitionen faktisch unmöglich mache. „Ohne Reform wird Deutschland unregierbar“, so Südekum. Die Sorge ist groß, dass die Wirtschaft weiter leidet und Investitionen ausbleiben, während Mitbewerber wie die USA und China hohe Summen mobilisieren.
Die Schuldenbremse wurde 2009 unter der damaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel eingeführt und setzt der strukturellen Neuverschuldung des Bundes eine Obergrenze von 0,35 Prozent des BIP. Doch die Verhältnisse haben sich geändert: Wichtige Branchen und Politiker, von der Bundesbank bis zur einflussreichen Wirtschaftslobby BDI, fordern eine Reform, um dringend benötigte Investitionen zu ermöglichen. Die Staatsverschuldung Deutschlands, die 2024 voraussichtlich bei 64 Prozent des BIP liegt, gibt einigen Ökonomen zufolge ausreichend Spielraum für eine Neuinterpretation.
Merz selbst, ein Verfechter ausgeglichener Haushalte, hat bisher eine radikale Abkehr von der Schuldenbremse abgelehnt, bleibt aber vorsichtig offen für eine Diskussion. „Nichts ist in der Politik endgültig ausgeschlossen“, sagte er kürzlich. Optionen, die die Verfassung unangetastet lassen, wären ein Sonderfonds für Investitionen, ähnlich dem 100-Milliarden-Euro-Fonds für die Bundeswehr, den Olaf Scholz 2022 auflegte.
Einige Ökonomen schlagen vor, die Schuldenbremse flexibler zu gestalten, etwa indem sie sich am Schuldenstand zum BIP orientiert. Doch dies bedürfte einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Umsetzbar wäre das nur, wenn Merz ein breites Bündnis aus CDU, SPD und Grünen formt – eine Herausforderung, wenn extreme Parteien wie AfD oder die Linke im Parlament erstarken.
Mit Spannung beobachten auch europäische Partner die Debatte. Brüssel drängt die EU-Mitgliedstaaten zu höheren Investitionen, um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und China zu stärken. Deutschland, als größter Nettozahler der Union, spielt eine Schlüsselrolle in diesen Plänen.
Merz, ein früherer BlackRock-Deutschland-Chef, vermeidet klare Positionen, um sich Flexibilität zu bewahren. Letztlich könnte die Schuldenbremse, die einst als Garant für solide Finanzen galt, jetzt zum Stolperstein für Deutschlands Modernisierung und Europas Wettbewerbsfähigkeit werden.