AstraZeneca steht massiv unter Druck: Innerhalb weniger Tage verlor der Pharmakonzern knapp 17 Milliarden Pfund an Marktkapitalisierung, ein Rückgang um 12 Prozent. Grund sind Berichte über ein sich verschärfendes Korruptionsverfahren in China, einem Schlüsselmarkt für AstraZeneca. Dieser Verlust entspricht mehr als der für 2025 prognostizierten Nettogewinnsumme des Unternehmens und zeigt die geringe Risikotoleranz der Pharma-Anleger gegenüber rechtlichen Unsicherheiten.
China ist AstraZenecas zweitgrößter Markt und macht rund 13 Prozent des Umsatzes aus, wobei die Margen dort jedoch traditionell niedriger sind als in anderen Regionen. Die aktuellen Probleme lassen sich in drei Kategorien unterteilen. Erstens: Eine seit Jahren laufende Untersuchung wegen eines Versicherungsbetrugs, in die frühere AstraZeneca-Vertriebsmitarbeiter verwickelt sind. Ihnen wird vorgeworfen, genetische Testergebnisse manipuliert zu haben, um Patienten Zugang zur staatlichen Krankenversicherung für das Krebsmittel Tagrisso zu verschaffen.
Zweitens bestätigte AstraZeneca, dass zwei aktuelle und zwei ehemalige Führungskräfte in China wegen mutmaßlich illegaler Importe bestimmter Krebsmedikamente untersucht werden. Und schließlich wurde bekannt, dass Leon Wang, der prominente China-Chef des Unternehmens, vergangene Woche von den Behörden festgenommen wurde, ohne dass AstraZeneca bislang Klarheit über die Hintergründe erhalten hat.
Die Nervosität unter den Aktionären ist nachvollziehbar. Bereits 2014 musste der britische Konkurrent GSK in China eine Strafe von fast 500 Millionen Dollar wegen Bestechung zahlen. Der Imageverlust und die umfangreichen Ermittlungen schadeten dem Unternehmen erheblich. AstraZeneca betonte jedoch, dass die aktuellen Vorwürfe bislang nicht gegen den Konzern selbst gerichtet seien und man „bei Bedarf vollständig kooperieren“ werde.
Trotz möglicher Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn in China, insbesondere bei Krebsmedikamenten, bleibt die langfristige Belastung begrenzt. Laut Prognosen von Shore Capital könnte der operative Gewinn aus dem Onkologiegeschäft in China 2025 zwischen 625 und 750 Millionen Dollar liegen – weniger als 5 Prozent des erwarteten Gesamtgewinns.
Um das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen, benötigt AstraZeneca dringend positive Nachrichten. CEO Pascal Soriot hatte Anfang des Jahres das ambitionierte Ziel gesetzt, die jährlichen Umsätze bis 2030 von 45,8 auf 80 Milliarden Dollar zu steigern. Mit einem neuen Schwerpunkt auf Phase-3-Studien-Ergebnissen im kommenden Jahr steigt der Druck auf den Konzern weiter – und das aktuelle China-Problem könnte diese Ziele zusätzlich belasten.