Arbeitsmarkt unter Druck: Wie Novo Nordisk Dänemark in Atem hält

18.12.2024, 05:29

Der Pharmariese Novo Nordisk treibt die dänische Wirtschaft an – doch sein beispielloser Erfolg sorgt für einen dramatischen Fachkräftemangel im Land

Eulerpool News 18. Dez. 2024, 05:29

In Kalundborg, einer kleinen Stadt an Dänemarks Küste, wird der Aufstieg eines der größten Pharmakonzerne Europas nicht nur gefeiert, sondern auch beklagt. Novo Nordisk, weltbekannt für seine Diabetes- und Abnehmmittel wie Ozempic und Wegovy, hat hier eine Expansion hingelegt, die fast schon wie aus einem Lehrbuch für Wirtschaftswachstum wirkt. Doch der beispiellose Erfolg hat eine Kehrseite: Kleinunternehmer wie Brian Larsen kämpfen ums Überleben.

Larsen führte einst eine gut laufende Autowerkstatt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Novos Produktionshub. Doch das Geschäft wurde zum Albtraum. Mitarbeiter wechselten massenweise zu Novo – angezogen von 20% mehr Gehalt und besseren Arbeitsbedingungen. „Irgendwann wollte ich nicht mehr kämpfen. Es ging nur noch darum, Personal zu finden“, erklärt Larsen frustriert. Jetzt hat ein Dienstleister, der für Novo arbeitet, die Werkstatt übernommen.

Ein Segen und ein Fluch für die Wirtschaft

Novo Nordisk ist inzwischen Europas wertvollstes Unternehmen. Die beeindruckenden Zahlen: Allein 2023 trieb der Pharmariese 50% des dänischen BIP-Wachstums von 2,5% an. Die Belegschaft wuchs in nur drei Jahren um 75% auf über 32.000 Mitarbeiter. Doch während Novo sich Fachkräfte aus nahezu allen Branchen sichert – von Mechanikern bis zu Wissenschaftlern – stehen andere Unternehmen vor dem Nichts.

„Es ist großartig, eine starke Firma zu haben, aber gleichzeitig schafft das eine gefährliche Abhängigkeit“, warnt Christin Tuxen von Danske Bank. Kleinere Unternehmen melden verzögerte Bauprojekte, verlegen Produktionsstätten ins Ausland oder schließen ganz. Frank Poulsen, Geschäftsführer von Simatek, verlegte seine Produktion kürzlich nach Polen und ins Baltikum: „Gegen Novos Gehälter anzutreten, war schlicht unmöglich.“

Von Handwerkern bis zu Ärzten: Der Dominoeffekt

Novos gigantische Investitionen, darunter ein 8-Milliarden-Dollar-Ausbau in Kalundborg, ziehen massive Personalströme an. Besonders betroffen ist das Baugewerbe. Laut Morten Frihagen, dem Vorsitzenden von Dansk Haandvaerk, gehen Elektriker, Installateure und Zimmerleute nun zu Novo oder seinen Zulieferern. Die Folge: Viele kleinere Betriebe müssen Aufträge ablehnen.

Doch der Personalmangel reicht noch weiter. In einem Krankenhaus nahe Kalundborg kämpft Pia Krohn Hansen, Chef-Biologin der Mikrobiologie, um ihr Team. „In den letzten zwei Jahren haben wir zehn Mitarbeiter an Novo verloren. Es ist grotesk – wir finden einfach keinen Ersatz.“ Sie warnt, dass der Qualitätsverlust bald auch Patienten treffen könnte.

Gute Laune bei Novo – Ärger woanders

Der Erfolg Novos ist schwer zu übersehen. Die attraktiven Gehälter, Bonusmodelle und hervorragenden Karriereaussichten locken Talente aus dem gesamten Land. Helene Rafn von der Gewerkschaft Djof betont: „Es gibt eine positive Stimmung rund um Novo. Viele fühlen sich von der Mission angezogen, Menschen mit chronischen Krankheiten zu helfen.“

Doch andere Branchen leiden. Unternehmen müssen vermehrt über bessere Bedingungen, Remote Work und Weiterbildungen nachdenken, um mithalten zu können. Gleichzeitig stößt Dänemarks strikte Einwanderungspolitik an ihre Grenzen. Die Regierung hat zwar den Zugang zu ausländischen Fachkräften erleichtert, doch der politische Spagat zwischen wirtschaftlichem Bedarf und gesellschaftlichen Bedenken bleibt heikel.

Das Land wird reicher – aber um welchen Preis?

Kalundborgs Bürgermeister Martin Damm sieht die positiven Seiten der Entwicklung: Neue Häuser werden gebaut, Straßen modernisiert und internationale Studenten ausgebildet. Aber selbst die Stadtverwaltung hat Mitarbeiter an Novo verloren.

Für viele, die aus der zweiten Reihe zusehen, ist klar: Das rasante Wachstum von Novo Nordisk ist ein zweischneidiges Schwert. Während der Pharmariese die dänische Wirtschaft aufblühen lässt, zeigt er unmissverständlich, wie fragil eine Volkswirtschaft werden kann, wenn ein einzelnes Unternehmen dominiert.

Für Brian Larsen und viele andere bleibt die Frage: Wie weit darf der Aufstieg eines Giganten gehen, bevor er die Basis, auf der er steht, erodiert?

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