AI
Big Techs „Reverse Acquihires“ drohen das Innovationsmodell des Silicon Valley auszuhöhlen
Mit aggressiven „Reverse Acquihires“ gewinnen Tech-Giganten AI-Talente – doch untergraben sie zugleich Silicon Valleys Innovationskultur.

Milliardenschwere Jobangebote, Lizenzdeals statt Übernahmen und der aggressive Zugriff auf Spitzenforscher prägen den Kampf um AI-Talent. Microsoft, Alphabet, Meta und Amazon setzen zunehmend auf „Reverse Acquihires“ – ein Vorgehen, bei dem nicht das Startup selbst übernommen, sondern dessen Gründer und Kernteams abgeworben werden. Für die Konzerne bedeutet das schnelle, unkomplizierte Zugriffe auf Know-how und Technologie – ohne regulatorische Hürden.
Ein prominentes Beispiel ist Microsofts Deal mit Inflection AI: Der Konzern zahlte 650 Millionen Dollar für eine Lizenz und holte Mitgründer Mustafa Suleyman ins Haus, um das Copilot-Geschäft zu steuern. Meta wiederum band über einen milliardenschweren Investitionsvertrag zentrale Köpfe von Scale AI an sich. Auch Google griff zu – beim Startup Windsurf, dessen Übernahme durch OpenAI bereits vorbereitet war, aber letztlich durch einen 2,4-Milliarden-Dollar-Deal von Alphabet zerschlagen wurde. Zurück blieben enttäuschte Mitarbeiter, deren erhoffter Exit ausblieb.
Für die Tech-Giganten ist das Vorgehen effizient. Sie sichern sich entscheidende Expertise im laufenden AI-Wettrennen, vermeiden aufwendige Integrationen und umgehen Prüfungen der Wettbewerbsbehörden. Für viele Gründer und Spitzenforscher sind die Angebote schlicht zu lukrativ: Einzelne Vergütungspakete erreichen Summen, die sonst nur Spitzensportlern vorbehalten sind.
Doch die Kehrseite ist gravierend. Venture-Capital-Investoren bleiben ohne die erhofften Multiplikatoren, Mitarbeiter verlieren den Zugang zu potenziellen Equity-Gewinnen, und die kulturelle Basis des Silicon Valley gerät ins Wanken. Traditionell basierte das Modell darauf, dass viele scheitern, wenige durch Exits enorme Werte schaffen – und dieser Mechanismus die Risikobereitschaft speiste. Werden Startups systematisch ausgehöhlt, ohne dass breite Belegschaften profitieren, droht Vertrauen zu schwinden.
Investoren wie Jon Sakoda warnen vor einem Bruch mit der impliziten „Startup-Bargain“: Wer künftig davon ausgeht, dass der eigene Anteil faktisch wertlos bleibt, wird eher direkt bei Big Tech anheuern – sicher, aber ohne die Dynamik, die das Ökosystem über Jahrzehnte einzigartig gemacht hat. Ironischerweise könnten Microsoft, Meta, Amazon und Alphabet damit langfristig ihre eigene Innovationspipeline austrocknen.