Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich laut Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel noch nicht auf einen festen Zinspfad festgelegt. Die EZB bleibe wachsam und treffe ihre Entscheidungen kurzfristig und faktenbasiert, sagte Schnabel in einer Rede am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW).

Die Wirtschaft erhole sich allmählich, doch die „letzte Meile“ der Disinflation erweise sich als extrem „holprig“. Schnabel rechnet damit, dass die Inflation im Euroraum gegen Ende des kommenden Jahres auf das 2-Prozent-Ziel der EZB zurückkehren werde.

Während die Inflation bei Gütern schnell sinke, bleibe sie bei Dienstleistungen hartnäckig hoch. Im Warenkorb Dienstleistungen weisen derzeit 90 Prozent eine Inflation oberhalb von 2 Prozent auf. Besonders in den Bereichen Tourismus und Gastronomie sei dies spürbar.

Befürchtungen einer Lohn-Preis-Spirale wie in den 1970er Jahren erteilte Schnabel eine Absage. Nachdem die Nominallöhne zunächst deutlich gestiegen seien, um die Kaufkraftverluste während der hohen Inflationsraten auszugleichen, würden sich nun auch die Lohnwachstumsraten wieder abschwächen. Zudem seien diesmal gleichzeitig die Gewinne der Unternehmen gestiegen, was damals nicht der Fall gewesen sei.

Die geldpolitischen Entscheidungen der EZB und anderer Notenbanken hätten dazu beigetragen, die Inflationserwartungen der Unternehmen und Haushalte fest bei dem Inflationsziel von 2 Prozent zu verankern. „Es spricht nichts für eine Lohn-Preis-Spirale wie in den 1970ern“, betonte Schnabel.

Insgesamt deuteten die jüngsten Entwicklungen in die richtige Richtung, aber die EZB müsse wachsam bleiben. Anfang Juni hatte die EZB die Leitzinsen um 25 Basispunkte gesenkt, erstmals seit 2019. Ab Juli sollen auch die Bestände an Anleihen, die unter dem PEPP-Programm erworben wurden, monatlich sinken.

Diese Maßnahmen unterstreichen die flexible und datengetriebene Herangehensweise der EZB bei der Bekämpfung der Inflation und der Stabilisierung der Wirtschaft im Euroraum.