Wenn Größe zum Risiko wird – wie Indexgiganten die Aktionärsdemokratie verzerren

Indexfonds wie BlackRock verzerren Aktionärsvoten, da ihre Portfoliosystematik Loyalitäten spaltet und klassische Governance-Prinzipien infrage stellt.

4.9.2025, 15:01
Eulerpool News 4. Sept. 2025, 15:01

Aktionärsstimmen galten lange als Ritual ohne großen Einfluss. Mit dem Aufstieg institutioneller Investoren wie BlackRock änderte sich das: Fondsmanager nutzten ihre Stimmrechte, um Vorstände zu disziplinieren und strategische Entscheidungen zu beeinflussen. Doch inzwischen wächst die Sorge, dass dieselben Institutionen durch ihre schiere Größe das System aus dem Gleichgewicht bringen.

Eine Analyse von Henry Hu und Lawrence Hamermesh, beide ehemalige Top-Juristen bei der US-Börsenaufsicht SEC, zeigt die Schwachstellen. Sie warnen vor „Fehlzählungen, Verzerrungen und nicht gerechtfertigten Verschiebungen von Stimmrechten“ – die geltenden Regeln seien nicht mehr in der Lage, mit der Realität Schritt zu halten. Besonders deutlich wird dies in Delaware, wo die meisten US-Gesellschaften registriert sind und deren Unternehmensrecht weltweit Signalwirkung hat.

Das Problem der Entkopplung von ökonomischem Interesse und Stimmrecht ist nicht neu. Schon in den 2000er Jahren nutzten Hedgefonds Derivate, um Stimmrechte zu sichern, ohne wirtschaftliches Risiko zu tragen. Legendär ist der Fall Perry Corp, die bei Mylan Einfluss nahm, während sie zugleich darauf wettete, dass das Pharmaunternehmen für ein anderes Perry-Investment zu viel bezahlen würde.

Heute entstehen Interessenkonflikte systematisch, ohne dass Investoren sie bewusst herbeiführen müssen. Giganten wie Vanguard, State Street oder BlackRock halten Anteile an fast allen börsennotierten Konzernen. Bei Fusionen sitzen sie faktisch auf beiden Seiten des Tisches. Eine Studie aus 2022, die knapp 2000 M&A-Transaktionen untersuchte, fand, dass Investoren regelmäßig Deals unterstützten, die einzelnen Unternehmen schadeten, aber ihrem Gesamtportfolio nützten.

Die Governance-Debatte steckt damit in einem Dilemma. Würde man Stimmrechte großer Fonds pauschal als befangen einstufen, bekämen kleinere Aktivisten überproportionalen Einfluss. Lässt man alles beim Alten, verlieren Aktionärsvoten ihre Glaubwürdigkeit – und es profitieren jene, die seit Langem gegen den Einfluss institutioneller Investoren agitieren, von Gründerfiguren bis zu Politikern.

Dass selbst in Delaware, dem Mekka des US-Unternehmensrechts, ernsthaft über Regelanpassungen diskutiert wird, zeigt die Brisanz. Und auch wenn die Debatte dort geführt wird: Die Frage, ob das Prinzip „ein Aktionär, eine Stimme“ in Zeiten globaler Indexfonds noch trägt, betrifft längst alle großen Kapitalmärkte.

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