Die Umsiedlung der britischen Fintech-Größe Wise an die US-Börse wurde zwar von der Mehrheit der Aktionäre genehmigt – doch das Verhalten der führenden Proxy Advisors hat grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Statt Transparenz zu schaffen, übersahen die einflussreichen Beratungsfirmen ISS und Glass Lewis zentrale Details und verstärkten damit die ohnehin bestehende Verwirrung.
Im Zentrum der Debatte stand nicht nur der Börsenplatzwechsel, sondern vor allem die geplante Verlängerung der umstrittenen dual-class-Struktur, mit der Gründer Taavet Hinrikus weiterhin überproportionalen Einfluss behält. Die Maßnahme, die ursprünglich 2025 auslaufen sollte, wurde im Rahmen der Verlagerung stillschweigend um ein Jahrzehnt verlängert – ein Detail, das in der 98-seitigen Informationsbroschüre lediglich in einem unscheinbaren Bullet Point erwähnt wurde.
ISS und Glass Lewis empfahlen dennoch eine Zustimmung, obwohl sie sich in der Vergangenheit grundsätzlich gegen Mehrstimmrechtsstrukturen ausgesprochen hatten. Erst nachdem Hinrikus’ Investmentvehikel Skaala öffentlich Kritik übte, ergänzten sie ihre Berichte mit einem Hinweis auf Governance-Bedenken – ohne jedoch ihre Empfehlung zu revidieren.
Der kleinere Berater PIRC hatte die Schwächen im Vorschlag erkannt und sprach sich letztlich gegen die Pläne aus. Pikant: Wise berief sich zunächst auf eine Vorabversion des PIRC-Berichts, der noch zustimmend war – offenbar ohne zu wissen, dass PIRC die endgültige Empfehlung später geändert hatte.
Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf ein strukturelles Problem. Institutionelle Investoren verlassen sich zunehmend auf die Analysen der Proxy Advisors, um über komplexe Abstimmungen bei Dutzenden börsennotierten Unternehmen zu entscheiden. Doch wenn selbst zentrale Sachverhalte wie die Verlängerung eines Kontrollinstruments übersehen werden, gerät die Verlässlichkeit dieser Dienstleister ins Wanken.
Ein Untersuchungspapier des britischen Financial Reporting Council zeigt zwar, dass nur ein kleiner Teil der Investoren mit Proxy Advisors unzufrieden ist – gleichzeitig mahnt es jedoch, deren Einfluss differenzierter zu betrachten. Der Fall Wise verdeutlicht: Die Kritik an angeblich übermächtigen Stimmrechtsberatern verfehlt ihr Ziel, solange deren Arbeit selbst nicht kritisch genug hinterfragt wird.







