Mitten in einer historischen Hitzewelle sah sich Glovo gezwungen, ein umstrittenes Bonusprogramm für Lieferfahrer in Italien zu stoppen. Das spanische Unternehmen, seit 2022 Teil von Delivery Hero, hatte seinen Ridern zusätzliche Zahlungen von bis zu 8 Prozent versprochen – gestaffelt nach Außentemperatur. Bei über 40 Grad sollten Lieferanten den Höchstsatz erhalten.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Gewerkschaften, Politiker und Arbeitsrechtler sprachen von „Erpressung unter dem Deckmantel eines Bonus“. Besonders brisant: Ein großer Teil der rund 30.000 Gig-Worker im italienischen Liefersektor sind Migranten aus Südostasien und Afrika – oft ohne festes Arbeitsverhältnis und mit geringer sozialer Absicherung.
„Gesundheit lässt sich nicht kaufen“, erklärte Roberta Turi von der Gewerkschaft CGIL. Die Organisation forderte ein sofortiges Aussetzen aller Lieferdienste bei Extremtemperaturen – analog zu den Arbeitsverboten in Bau und Landwirtschaft. Dort hatten mehrere Regionen bereits Schutzmaßnahmen ergriffen, nachdem ein Bauarbeiter in Bologna an einem Hitzschlag verstorben war.
Glovo selbst verteidigte sich zunächst damit, dass die Zahlungen als Ausgleich für zusätzliche Ausgaben wie Wasser, Sonnencreme oder Elektrolyte gedacht seien. Ein interner Vermerk an Rider versprach die Auszahlung Mitte September – verbunden mit der Aussage: „Eure Sicherheit hat für uns Priorität.“ Die Kritik ebbte dennoch nicht ab.
Unter dem zunehmenden öffentlichen Druck kündigte Glovo schließlich am Donnerstag an, den Bonus „für die heißesten Tageszeiten“ vorerst auszusetzen. Zudem pausiert das Unternehmen nach eigenen Angaben die Nachmittagslieferungen in der besonders betroffenen Region Piemont.
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Grundspannung in der Plattformökonomie: Unternehmen setzen auf größtmögliche Flexibilität, während Arbeitnehmerrechte zunehmend erodieren. Zwar betont Glovo, dass Rider „maximale Freiheit“ hätten, selbst zu entscheiden, wann sie arbeiten. Doch in prekären Lebensverhältnissen wird aus freiwilliger Entscheidung schnell wirtschaftlicher Zwang.
Bereits 2022 hatte ein Gericht in Palermo Glovo und andere Anbieter verpflichtet, Wasser, Salzlösungen und Sonnenschutz bereitzustellen. Und während Konkurrent Just Eat in Belgien Lieferungen bei extremer Hitze pausiert, gerät Glovo mit seinem Vergütungsmodell zunehmend ins Visier von Behörden und Politik.







