Die Zinsen sind zurück und Experten sind sich einig: Für Anleger gibt es keine Alternative zum Aktienmarkt. Bei Tagesgeld gibt es derzeit lediglich vier Prozent Zinsen, was viele dazu veranlasst, ihr Geld in Wertpapiere zu investieren. Doch nicht jedem fällt es leicht, Kursschwankungen auszusitzen und auf steigende Kurse zu vertrauen.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass hohe Zinsen nicht von Dauer sind. Hinzu kommt, dass die Inflationsrate in der Eurozone immer noch bei 4,3 Prozent liegt. Somit gleichen selbst vier Prozent Tagesgeldzinsen die Inflation nicht aus. Eine Anlage in Aktien ist also für Anleger, die mindestens zehn Jahre investieren möchten, unumgänglich. Doch wie können Anleger jetzt von den Chancen des Aktienmarktes profitieren?
Vier Expertinnen und Experten geben in sieben Schritten Einblicke.
Bevor Anleger ihre erste Order platzieren, sollten sie eine passende Anlagestrategie wählen. Diese hängt davon ab, welche Renditeerwartungen man hat, wie lange das Geld angelegt werden soll und wie man mit Wertschwankungen umgehen kann. Wer Wert auf Werterhalt legt, sollte eher ein risikoarmes Portfolio wählen oder wenn das Geld kurzfristig verfügbar bleiben muss.
Diejenigen, die auch bei fallenden Kursen bereit sind, weiter in den Markt zu investieren, haben eine hohe Risikobereitschaft und sollten ihr Portfolio dementsprechend gestalten. Wichtig dabei ist, dass das Geld tatsächlich für die geplante Dauer angelegt wird und ausreichend Barreserven für unvorhergesehene Ausgaben vorhanden sind.
Die Experten sind sich uneinig, wie hoch der Aktienanteil bei einem defensiven, offensiven oder ausgewogenen Portfolio sein sollte. Ulrike Rondorf, Leiterin der Investmentstrategie bei Lampe Asset Management, empfiehlt bei einem defensiven Portfolio eine Aktienquote von 30 Prozent, bei einem ausgewogenen 53 Prozent und bei einem offensiven 70 Prozent.
Petra Ahrens, Vorständin von Maiestas Vermögensmanagement, dagegen empfiehlt bei einem ausgewogenen Portfolio eine Aktienquote von bis zu 60 Prozent und bei einem offensiven sogar 100 Prozent Aktien.
Alexander Wiedemann, Vorstandsmitglied der Finanzinformation & Vermögensverwaltung AG (FIVV AG), wählt je nach Risikobereitschaft und Anlagehorizont bei eher defensiv orientierten Anlegern einen Aktienanteil von bis zu 40 Prozent und bei offensiven 80 Prozent bzw. ausgewogenen 60 Prozent. Eine der zentralen Fragen der Geldanlage ist es, ob man auf ETFs setzen sollte, die ganze Märkte abbilden, oder in Einzelaktien investieren sollte. Studien zeigen, dass nur wenige es schaffen, mit Einzelaktien den Markt dauerhaft zu schlagen.
Die meisten Experten raten daher zu einer breiten Diversifikation und empfehlen, mindestens 20 Einzeltitel zu halten.
Zudem erfordert die Auswahl von Einzelaktien Zeit, Kenntnisse und Disziplin und man sollte den "Home-Bias" überwinden, also nicht nur in heimische Unternehmen investieren. Um den Markt abzubilden, bieten sich ETFs an.
Auch können Aktien von Weltmarktführern und Unternehmen, die von der Digitalisierung profitieren, eine sinnvolle Ergänzung sein. Es gibt auch die Möglichkeit in Misch- oder Themenfonds zu investieren. Eine Kombination aus passiven und aktiven Strategien ist ebenfalls eine Option.
Dabei sollten Anleger die Anlagephilosophie und das Angebot der Fonds genau prüfen. Für Anleger, die Wert auf Nachhaltigkeit legen oder eine flexible Anlagepolitik bevorzugen, bieten sich Fonds wie der Phaidros Balanced von Eyb & Wallwitz oder der Allianz Dynamic Multi Asset Strategy SRI75 von Allianz Global Investors an. Bei der PEH Vermögensmanagement GmbH, die das Haftungsdach der Finanzberatung und Vermögensverwaltung Svea Kuschel und Kolleginnen nutzt, gibt es außerdem den PEH Empire Fonds, der von einem erfahrenen Fondsmanager geführt wird und mit dem FNG-Siegel für Nachhaltigkeit ausgezeichnet ist.
Auch eine Kombination aus Mischfonds und ETFs kann sinnvoll sein, um eine breite Streuung im Depot zu erreichen. Letztendlich ist es wichtig, dass die gewählte Strategie zur eigenen Risikobereitschaft und Anlageziele passt.
Interessante Regionen für Anleger sind derzeit Nordamerika und Europa. Die Maiestas-Vorständin, Frau Ahrens, betont: "Wir betrachten die Finanzwelt von oben und entscheiden zunächst, welche Länder geopolitisch gut dastehen." In Asien und China sieht der Vorstand von Wiedemann viel Potenzial.
"In den letzten Jahren ist diese Region am stärksten gewachsen und hat immer noch viel Wachstumspotenzial. Besonders mit einer offensiven Strategie kann man daran nicht vorbeikommen," sagt er. In Europa gibt es derzeit viele strukturelle Probleme, weshalb Herr Wiedemann mehr Potenzial in den Vereinigten Staaten sieht. "Das bedeutet jedoch nicht, dass wir keine europäischen Unternehmen im Depot haben, wie zum Beispiel BMW und BASF, die international ausgerichtet sind," fügt Wiedemann hinzu.
Auch Lampe-Strategin Rondorf empfiehlt eine globale Ausrichtung, betont jedoch die besseren Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups in den USA. Die Technologiebranche ist derzeit die beliebteste unter den Anlagestrategen. Für Constanze Hintze ist dies die einzige Branche, die sie über einen Nasdaq-100-ETF mit einem besonderen Gewicht vertritt. Sie erklärt: "Die digitale Transformation ist ein Megatrend, der alle Unternehmen und Branchen betrifft und sich durch Künstliche Intelligenz mit unglaublicher Geschwindigkeit weiterentwickelt."
Sie ist der Meinung, dass dieser Trend in den nächsten zehn Jahren weiter anhalten wird, während andere, wie derzeit die Biotechnologie, Solarenergie und erneuerbare Energien, an den Börsen nicht beachtet werden. Kurzfristige Trends können laut Wiedemann von aktiven Fondsmanagern besser erkannt werden. Bei defensiven Depots bevorzugt er Unternehmen, die hohe Dividenden ausschütten, wie zum Beispiel Telekommunikations-, Gesundheits- und Energieunternehmen sowie Unternehmen aus dem Rohstoff- und Konsumsektor.
In ausgewogenen und offensiven Depots finden sich bei der FIVV AG derzeit chinesische Autohersteller BYD, Gesundheitsunternehmen Abbot und Abbvie sowie die Deutsche Telekom, Eon, Allianz, Roche, Total Energies und Envitec-Biogas.
Auch Vermögensverwalterin Ahrens empfiehlt Unternehmen mit langfristigem Wachstumspotenzial, die sich in Large-Caps-ETFs finden lassen. Bei einer Einzelaktienstrategie setzt sie auf grundlegende Analysen von großen und stabilen Unternehmen. Bei der Diversifikation über Industrieländer und Branchen hinweg sind sich die Anlagestrategen einig, dass dies unerlässlich ist. Nach Aktien setzen sie zunehmend auf Anleihen.
Rondorf hält bei defensiven Depots eine Mischung aus Pfandbriefen, Unternehmens- und Staatsanleihen für sinnvoll. Ahrens wählt Anleihen-Fonds und -ETFs auf Euro- und US-Dollar-Basis mit fixem sowie variablem Zins und einer Restlaufzeit zwischen einem und drei Jahren. Auch die FIVV AG setzt laut Wiedemann vorwiegend auf Anleihen mit höherem Emissionsvolumen und hohem Tagesumsatz an der Börse, während Mittelstandsanleihen nur selektiv beigemischt werden.
Hintze empfiehlt bei ausgewogenen und defensiven Depots aktiv gemanagte Rentenfonds mit Staats- und Unternehmensanleihen, wie den Bond Opportunities von Flossbach von Storch. Die Frage, ob Gold noch einen Platz im Depot haben sollte, wird von den Vermögensverwaltern unterschiedlich beurteilt. Ahrens betont, dass Gold an Glanz verloren hat und ältere Anleger möglicherweise noch an den sicheren Hafen glauben.
Rondorf empfiehlt bei defensiven Depots eine Goldquote von fünf Prozent, bei ausgewogenen Depots vier Prozent. Hintze betont, dass Gold möglicherweise bereits in Mischfonds enthalten ist und empfiehlt bei defensiven Depots eine Beimischung von zehn Prozent Festgeld oder kurzlaufenden Bundesanleihen.
Wiedemann ist der Meinung, dass Gold einen festen Platz im Depot haben sollte, insbesondere aufgrund der guten Entwicklung von Gold-ETCs. Er betont jedoch, dass Gold nicht als Krisenwährung betrachtet werden sollte, sondern dass in solchen Situationen eher auf Termingeschäfte gesetzt werden sollte.
Abschließend sind sich die Anlagestrategen einig, dass trotz des steigenden Zinsniveaus eine verstärkte Investition in den Aktienmarkt für renditeorientierte Anleger sinnvoll ist. Eine ausgewogene Diversifikation, vor allem in vielversprechende Regionen wie Nordamerika und Asien sowie in wachstumsstarke Branchen wie Technologie, ist empfehlenswert.
Zudem sollten Anleger auch Anleihen in ihre Portfolios aufnehmen. Die Frage nach Gold im Portfolio wird unterschiedlich beantwortet, jedoch sind sich alle einig, dass eine ausgewogene Diversifikation über verschiedene Anlageklassen hinweg unerlässlich ist.