Der ehemalige Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) hat scharfe Kritik am Bundesfinanzministerium geübt. In mehreren Schreiben, die der WirtschaftsWoche vorliegen, wirft er dem Ministerium unter der Leitung von Christian Lindner (FDP) vor, nicht ausreichend gegen den massiven Zoll- und Steuerbetrug bei Importen aus China vorzugehen. Der Schaden für den deutschen Staatshaushalt durch unterbewertete Sendungen, insbesondere von Online-Plattformen wie Temu und Shein, sei immens.
Täglich erreichen hunderttausende Sendungen aus China Deutschland, die oft zu niedrig bewertet werden, um Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer zu hintergehen. Laut Stichprobenangaben werden bis zu 65 Prozent dieser Importe unter dem tatsächlichen Wert deklariert, was zu einem geschätzten Verlust in Milliardenhöhe führt. Meister fordert die Bundesregierung auf, schnell und entschlossen gegen diese mutmaßlichen Steuertricks vorzugehen.
Besonders besorgniserregend sei, dass viele der importierten Produkte nicht den deutschen Sicherheitsstandards entsprechen. Diese Waren, die oft eigens für den Export produziert werden, dürfen in China selbst nicht verkauft werden. Der Zoll, dessen Aufgabe es ist, sowohl die ordnungsgemäße Verzollung als auch die Produktsicherheit zu überwachen, stößt dabei an seine Grenzen.
Trotz einer Belegschaft von über 40.000 Zollbeamten ist nur ein Bruchteil für die Kontrolle von Importgütern zuständig. Hinzu kommt, dass viele Sendungen über ausländische Flughäfen wie Lüttich in die EU gelangen, wo der deutsche Zoll nach geltendem EU-Recht keine Kontrolle mehr ausüben darf. Dies unterstreicht die Dringlichkeit einer Reform des EU-Zollrechts, die jedoch frühestens 2028 greifen soll.
Meister äußert zudem Bedenken hinsichtlich der aktuellen Maßnahmen des Bundesfinanzministeriums. Während das Ministerium darauf verweist, dass die Zollreform ein komplexes Regelungspaket sei und die vorgesehenen Übergangsfristen möglicherweise knapp bemessen seien, fordert der CDU-Politiker ein entschlosseneres Vorgehen. Die Kritik richtet sich auch gegen die Praxis, Zollbeamte zur Bewachung des Ministeriumsgebäudes in Berlin abzustellen, während gleichzeitig auf die EU-Zollreform gewartet werde.
Der Konflikt zeigt die Diskrepanz zwischen politischer Gründlichkeit und den schnellen Entwicklungen im globalen Handel. Während chinesische Onlinehändler zunehmend Marktanteile gewinnen, fühlen sich deutsche Unternehmen und Verbraucher unzureichend geschützt.