Immer wieder steht der Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland vor der Eskalation.
Doch nun scheint ein dauerhafte Annäherung der beiden Nachbarländer möglich. Nicht nur die Länder selbst, sondern auch die EU und die Nato würden davon profitieren. Am Mittwoch treffen sich der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Rand der UN-Vollversammlung in New York.
Das Gespräch gilt als Auftakt für neue Verhandlungen zwischen den verfeindeten Nachbarn. Noch im Sommer 2020 hatten beide Länder im östlichen Mittelmeer ihre Kriegsflotten gegeneinander aufgefahren, und im Dezember drohte Erdogan indirekt sogar mit einem Raketenangriff. Doch jetzt kommen versöhnliche Töne aus Ankara. Am Rand des Nato-Gipfels in Vilnius vereinbarten Erdogan und Mitsotakis im Juli, eine Wiederannäherung anzustreben.
Besonders für Erdogan haben solche Schritte eine besondere Bedeutung. Nach seiner Wiederwahl im Mai hat er Rationalität walten lassen und hofft auf Investitionen aus der EU und den USA, um seine schwere Währungskrise zu bekämpfen. Am Sonntag warb Erdogan in New York bei einem Treffen mit Tesla-Chef Elon Musk sogar um den Bau einer Autofabrik in der Türkei. Auch wo es um die US-Lieferung F-16-Kampfjets für die Türkei geht, ist Griechenland ein Schlüsselbegleiter: Der US-Kongress unterstützt die griechische Seite und macht die Geschäfte von weiteren Annäherungsschritten im Konflikt von Ankara und Athen abhängig.
Der Streit der Länder ist äußerst komplex: Es geht unter anderem um die Hoheitsrechte, Wirtschaftszonen und Öl- und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Griechenland schlägt den Einsatz des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vor, die Türkei hält dagegen. Ankara warf Athen zudem vor, mit der Stationierung von Militär gegen den Vertrag von Lausanne zu verstoßen. An dem Spitzentreffen der beiden Regierungschefs in New York soll demnach der Neubeginn besiegelt werden.
Ende des Jahres erstmals nach mehr als sieben Jahren wieder, soll im nordgriechischen Thessaloniki dann der Oberste Kooperationsrat beider Länder tagen und damit erneut den Willen zur Entspannung zeigen. Auch der Nato würde eine Annäherung der beiden Länder zugute kommen. In den vergangenen 50 Jahren gerieten sie sechs Mal an den Rand eines Krieges.
Für Griechenland hätte eine Annäherung erhebliche Folgen. Das Land gab im letzten Jahr 3,7 Prozent seines BIP für die Verteidigung aus, vor allem durch die gefühlte Bedrohung durch die Türkei. Eine Beilegung des Streits könnte die wirtschaftliche Situation des Landes deutlich verbessern, da die hohen Verteidigungsausgaben in den 2010er-Jahren eine Ursache für die Staatsschuldenkrise waren. Auch könnten dadurch neue Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Nachbarländer eröffnet werden.