Green

Sonnenflaute: Deutschlands Solarmarkt in der Krise

Wie eine Boom-Branche ins Straucheln gerät – und was das für Europas grüne Zukunft bedeutet

Eulerpool News 3. Jan. 2025, 10:39

Der deutsche Solarmarkt, einst das strahlende Vorbild für erneuerbare Energien in Europa, steckt tief in der Krise. Ein plötzlicher Nachfragerückgang hat Insolvenzen, Entlassungen und Veränderungen in den Geschäftsmodellen vieler Unternehmen ausgelöst. Dabei ging der Absturz so schnell, dass selbst erfahrene Branchenkenner auf dem falschen Fuß erwischt wurden.

Vom Boom zur Pleite: Eine Branche verliert den Halt

2023 war für die Solarindustrie in Deutschland noch ein Rekordjahr: 15 Gigawatt (GW) an neuer Solarleistung wurden installiert – ein Anstieg um mehr als das Doppelte im Vergleich zu 2022. Der Auslöser? Russlands Invasion in der Ukraine und explodierende Energiepreise. Verbraucher suchten nach Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und investierten massiv in Solaranlagen.

Doch 2024 folgte der Absturz: Die Nachfrage brach ein. Höhere Zinsen ließen die Finanzierungsmodelle für viele Verbraucher unattraktiv werden, während gleichzeitig günstige Solarmodule aus China den Markt überschwemmten. Das Ergebnis? Preise purzelten, Margen schmolzen dahin, und zahlreiche Unternehmen, die noch vor kurzem ein exponentielles Wachstum erlebten, stehen heute vor dem Aus.

Zolar, ein Berliner Start-up, das seit 2016 fast 300 Millionen Euro Kapital einsammelte, kündigte an, sich komplett aus dem Direktvertrieb von Solarpanels an Endkunden zurückzuziehen und über die Hälfte seiner Belegschaft zu entlassen. „Die Situation ist paradox“, erklärte CEO Jamie Heywood. „Die Installationskosten sind gesunken, aber die niedrigeren Energiepreise machen Solar weniger attraktiv.“

Auch andere bekannte Namen wie Eigensonne und ESS Kempfle meldeten Insolvenz oder Restrukturierungspläne an. Selbst Größen wie Enpal und 1Komma5, die durch Milliardenbewertungen glänzten, mussten ihre Wachstumsambitionen reduzieren.

Ein Markt unter Druck: China, Zinsen und sinkende Subventionen

Die Herausforderungen der Branche lassen sich auf drei Hauptursachen reduzieren:

Billige Konkurrenz aus China: Europäische Hersteller wie Meyer Burger sehen sich einer Flut chinesischer Produkte ausgesetzt. Das führte dazu, dass die Schweizer Firma im September 2024 ankündigte, ein Fünftel ihrer Belegschaft abzubauen.

Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Die einst großzügigen Subventionen der Regierung wurden sukzessive gekürzt. Gleichzeitig erschweren hohe Zinsen die Finanzierung von Solaranlagen.

Veränderte Verbraucherprioritäten: Nach dem Höhepunkt der Energiekrise in 2022-23 sehen viele Haushalte Solar nicht mehr als Dringlichkeit an.

Ein Hoffnungsschimmer: Innovation und ungenutztes Potenzial

Trotz des Abschwungs gibt es Lichtblicke. Die Nachfrage nach Mini-Solaranlagen für Balkone steigt weiterhin. Unternehmen wie Enpal diversifizieren erfolgreich in neue Bereiche wie Wärmepumpen und Smart Meter. Philipp Schröder, CEO von 1Komma5, hob hervor, dass KI-gesteuerte Tools zur Energieoptimierung in Häusern das Wachstum des Unternehmens sichern konnten.

Langfristig bleiben die Perspektiven für die Branche positiv. Von den rund 20 Millionen Dächern in Deutschland sind erst drei Millionen mit Solaranlagen ausgestattet. Experten wie Dina Darshini von LCP Delta betonen das immense ungenutzte Potenzial, besonders im Unternehmenssektor. „Die Markterholung wird langsam, aber sicher sein – es sei denn, es gibt einen großen politischen Stimulus,“ sagt sie.

Was bedeutet das für die Energiewende?

Die aktuellen Probleme werfen jedoch ernsthafte Fragen auf: Wie will Deutschland sein Ziel erreichen, bis 2030 jährlich 19 GW an neuer Solarleistung zu installieren? Und wie kann Europa insgesamt gegen die Übermacht aus China bestehen? Dries Acke von SolarPower Europe bringt es auf den Punkt: „Eine grüne Transformation kann nicht mit roten Zahlen gelingen.“

Die kommenden Jahre werden für die deutsche Solarindustrie entscheidend sein. Wird die Politik gegensteuern? Oder wird eine der wichtigsten Säulen der Energiewende weiter ins Wanken geraten? Ohne klare Strategien droht nicht nur der deutschen Solarbranche, sondern der gesamten europäischen Klimapolitik ein schwerer Rückschlag.

Unlimitierter Zugriff zu den besten Analysetools

Für 2 € sichern

Favoriten unserer Leser