Volkswagen erwägt, chinesischen Automobilherstellern die Übernahme ungenutzter Produktionskapazitäten in Europa zu ermöglichen. Der Wolfsburger Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage und steigendem Wettbewerbsdruck – insbesondere durch chinesische Elektrofahrzeughersteller, die den europäischen Markt erobern wollen.
Audi-Chef Gernot Döllner bestätigte gegenüber der Financial Times, dass eine solche Zusammenarbeit denkbar sei. „Das würde die Markteintrittsbarrieren für diese Wettbewerber senken“, sagte er und betonte: „Ich glaube an den freien Handel.“ Audi kooperiert bereits in China mit dem MG-Hersteller SAIC, um Elektrofahrzeuge zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse des lokalen Marktes zugeschnitten sind.
Auch David Powels, Finanzchef der Kernmarke VW, schloss eine Übernahme von Produktionslinien durch chinesische Hersteller nicht aus. „Wir sind offen für Gespräche mit jedem Partner“, sagte er. „In einer dynamischen Welt muss man alle Optionen in Betracht ziehen.“
Der Schritt erfolgt vor dem Hintergrund eines Umbruchs in der Automobilbranche. Während traditionelle europäische Hersteller den Wandel zur Elektromobilität vorantreiben, haben chinesische Wettbewerber wie BYD technologisch führende Modelle zu günstigeren Preisen auf den Markt gebracht. Subventionen der chinesischen Regierung und niedrigere Produktionskosten verschaffen ihnen dabei Vorteile.
In China, einst der profitabelste Markt für VW, hat sich der Marktanteil der Marke in den vergangenen fünf Jahren fast halbiert. Gleichzeitig verzeichnete der europäische Automobilmarkt im Jahr 2023 rund zwei Millionen weniger verkaufte Fahrzeuge als fünf Jahre zuvor.
Bereits im vergangenen Monat hatte VW mit seinen Arbeitnehmervertretern eine Vereinbarung zur Reduzierung der Produktionskapazitäten in Deutschland getroffen. Statt drastischer Werksschließungen sollen die Fertigungslinien schrittweise zurückgefahren werden. Bis 2030 wird die Produktionskapazität der VW-Kernmarke um rund 730.000 Fahrzeuge von derzeit 1,5 Millionen reduziert.
Seit der Pandemie sank die Auslastung der Werke kontinuierlich, da Nacht- und Sonderschichten gestrichen wurden. 2024 produzierte VW in Deutschland rund 900.000 Fahrzeuge. Werke, die künftig Produktivitätsziele nicht erfüllen, könnten für „alternative Nutzung“ geprüft werden – darunter ein möglicher Verkauf.
Chinesische Hersteller sehen in diesen freien Kapazitäten eine Gelegenheit, ihre Präsenz in Europa auszubauen. Stellantis hat bereits eine 20-prozentige Beteiligung am chinesischen Elektroauto-Start-up Leapmotor erworben und plant, dessen Fahrzeuge in Europa zu produzieren und zu vertreiben.
Döllner sprach sich zudem gegen die von der EU geplanten höheren Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos aus. Protektionistische Maßnahmen seien kurzfristig, würden aber langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller schwächen. Audi produziert selbst in China und importiert Fahrzeuge nach Europa.
„Zölle werden den Wettbewerb nur verzögern und ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Wir müssen Schritt halten“, so Döllner.