Die Wirtschaftsprüfungsbranche hat zunehmend mit einem Imageproblem zu kämpfen, insbesondere bei der Rekrutierung von Fachkräften. Doch während Jobinteressierte die Branche meiden, hat sie das Interesse von Investoren geweckt. Private-Equity-Gesellschaften könnten schon bald bis zu zehn der 30 größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der USA besitzen und deren internationale Expansion finanzieren. So wird die private-equity-finanzierte US-Sparte von Grant Thornton als potenzieller Bieter für die britischen und irischen Tochtergesellschaften des Unternehmens gehandelt.
Der Reiz für Investoren ist offensichtlich: Wirtschaftsprüfungsgesellschaften generieren stabile Einnahmen aus ihren Prüfungsmandaten und bieten Potenzial, den fragmentierten Markt zu konsolidieren. Gelingt es Private-Equity-Gesellschaften, grenzüberschreitende Deals zu vereinbaren, könnte das Wachstum durch die Bedienung zahlungskräftiger internationaler Kunden beschleunigt werden.
Traditionell nutzen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Netzwerke unabhängiger internationaler Partner, um global tätig zu sein. Dies ermöglicht es ihnen, sich von Partnergesellschaften zu distanzieren, die in Schwierigkeiten geraten. Befürworter grenzüberschreitender Fusionen sehen jedoch Vorteile in einer zentralisierten Entscheidungsfindung, weniger Bürokratie und einer effizienteren Aufteilung der Gewinne bei internationalen Projekten. Deloitte begann bereits 2016 mit der Zusammenlegung seiner europäischen Geschäftsbereiche.
Solche Fusionen sind jedoch nicht immer erfolgreich. So scheiterte 2006 ein Vorstoß von KPMG zur Fusion seiner nationalen Partnerschaften in Europa. Jüngst fusionierten jedoch die britischen und schweizerischen Einheiten von KPMG. Auch EY gab 2023 Pläne auf, seine Prüfungs- und Beratungsdienste zu trennen, nachdem interne Streitigkeiten den Plan durchkreuzt hatten.
Regulierungsbehörden äußern Bedenken, dass Private-Equity-Besitz die Qualität von Prüfungen beeinträchtigen könnte. Maria Nykyforovych, Assistenzprofessorin an der George Mason University, warnt, dass die kurzfristig orientierten Anlageziele von Private-Equity-Investoren schädliche Anreize setzen könnten. Trotz regulatorischer Vorschriften, die vorschreiben, dass Prüfungsunternehmen von Wirtschaftsprüfern kontrolliert werden müssen, könnte Private Equity über verzahnte Vorstände oder Managementgebühren Einfluss auf die Prüfungspraktiken nehmen.
Unklar ist zudem, welches langfristige Ziel die Investoren verfolgen, da sowohl Börsengänge als auch Unternehmensverkäufe derzeit mit Schwierigkeiten behaftet sind. Da viele Private-Equity-Investoren erst ab 2021 in die Branche eingestiegen sind, wurden mögliche Ausstiegsszenarien bislang kaum erprobt. Letztlich könnte der Besitz an Pensionsfonds, Family Offices oder sogar zurück an die Partner übergehen.
Aktuell erscheint der Verkauf an andere Private-Equity-Firmen am wahrscheinlichsten. So veräußerte der in London ansässige Investor Hg im Juni 2023 die Hälfte seines Anteils an Azets an PAI Partners. Doch die Komplexität internationaler Unternehmenszusammenschlüsse könnte den Kreis potenzieller Käufer begrenzen.
Private Equity könnte sich dennoch als positiver Impulsgeber für die Wirtschaftsprüfungsbranche erweisen. Investitionen in künstliche Intelligenz und neue Technologien könnten gefördert sowie Anreizstrukturen überarbeitet werden, um den Beruf attraktiver zu machen.
Jedoch könnten auch unbeabsichtigte negative Folgen auftreten. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Investitionen in die Branche bergen das Risiko, Fehler und deren Auswirkungen zu verstärken.