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Dating Apps in der Krise: Warum wir das Swipen satt haben
Die virtuelle Liebe verblasst – und echte Begegnungen feiern ein Comeback

Dating-Apps waren einst das große Versprechen der digitalen Romantik, doch jetzt stehen die Platzhirsche wie Tinder und Bumble vor existenziellen Herausforderungen. Nutzerzahlen sinken, die Jugend schaut weg – und die Industrie sucht verzweifelt nach Innovationen.
Es begann wie ein Märchen: 2012 revolutionierte Tinder mit seinem „Swipe“-Prinzip die Art, wie Menschen sich kennenlernen. Keine langwierigen Profile, keine komplizierten Algorithmen – nur ein Wischen nach links oder rechts, und die digitale Liebe war einen Fingerzeig entfernt. Bis 2020 kletterten die Nutzerzahlen auf beeindruckende 73 Millionen pro Monat. Doch jetzt? Die Romantik ist raus.
Match Group, der Gigant hinter Tinder und mehr als 40 weiteren Apps, sieht sich einer ernüchternden Realität gegenüber: Der Marktwert ist auf ein Fünftel dessen gesunken, was er vor drei Jahren war. Paid User? Acht Quartale in Folge rückläufig. Und Match ist nicht allein – auch Bumble und Badoo stecken tief im Strudel.
Burnout statt Schmetterlinge
Dating-Apps sind an einem Punkt angelangt, den Boston-University-Forscherin Kathryn Coduto treffend beschreibt: „Die anfängliche Euphorie ist verflogen – jetzt sind die Menschen müde.“ Eine Forbes-Umfrage zeigt: 78 % der Nutzer fühlen sich emotional oder mental ausgelaugt. Besonders junge Frauen und Gen Z kehren den Apps den Rücken. Ihre Alternative? Entweder Nischenplattformen, Offline-Events – oder gleich die romantische Abstinenz.
Die einstige Revolution des Online-Datings hat sich selbst überholt. Der Grund? Ein toxischer Mix aus monotonem Swipen, ghosting-getränkter Frustration und mangelnder Transparenz. Nutzer wie der 24-jährige Tristan aus London zweifeln: „Warum sollte ich einer KI vertrauen, die meine Emotionen besser lesen soll als ich selbst?“
„Es fühlt sich wie Arbeit an“
Die CEOs der Branche geben sich kämpferisch, aber auch selbstkritisch. Faye Iosotaluno, seit Januar die achte Führungskraft bei Tinder, gab beim jüngsten Investorentag unumwunden zu: „Zeit auf Tinder zu verbringen, darf sich nicht wie Arbeit anfühlen.“ Die Lösung? KI soll alles besser machen. Von biometrischen Prüfungen über „liveness checks“ bis hin zu datengetriebenen Partnervorschlägen – die Apps rüsten auf.
Doch die Frage bleibt: Kann Technik das menschliche Chaos der Liebe wirklich entschlüsseln? Analystin Shweta Khajuria ist skeptisch: „Sobald sich ein schlechtes Image etabliert, ist es extrem schwer, die Wahrnehmung zu ändern.“
Neue Konkurrenz, alte Probleme
Während die Platzhirsche straucheln, erobern Start-ups die Lücke. Feeld lockt mit liberalen Konzepten wie Polyamorie, Breeze setzt auf sofortige Offline-Treffen in Partnerbars – keine Nachrichten, keine Spielchen. Sogar traditionelle Speed-Dating-Events erleben ein Revival. Laut Eventbrite nahmen allein in den USA 69 % mehr Singles an solchen Treffen teil als im Vorjahr.
Diese Rückkehr zur analogen Welt zeigt, wie wichtig der menschliche Kontakt bleibt. Ex-Tinder-CEO Renate Nyborg bringt es auf den Punkt: „Es ist einfach sehr schwer, jemanden allein anhand eines Online-Profils wirklich zu verstehen.“